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Es mag Schlimmeres geben, als ungewollt einige Tage in Miami festzusitzen, so wie es den Klägern der beiden nun vom Bundesgerichtshof entschiedenen Verfahren erging. Beide Fälle zeigen, dass nicht nur so manche Reise, sondern auch Entscheidung der Gerichte in Sachen Reiserecht zu unliebsamen Erkenntnissen für den Reisenden führt.
So also auch die zwei jüngst veröffentlichten Urteile des Bundesgerichtshofs vom 21.08.2012 (X ZR 138/11 und X ZR 146/11). Die Bundesrichter entschieden nämlich, dass Flugreisenden im Regelfall kein Ausgleichsanspruch gemäß Fluggastrechteverordnung nach einer Flugannulierung zusteht, dessen Ursache ein Pilotenstreik ist. In den beiden Gerichtsverfahren, die nun vor dem höchsten deutschen Zivilgericht landeten, verlangten die Kläger jeweils Ausgleichszahlungen nach Art. 7 Abs. 1c, Art. 5 Abs. 1c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Fluggastrechteverordnung), weil ihre geplanten Flüge von Miami nach Deutschland von der beklagten Lufthansa AG wegen eines Streikaufrufs der Vereinigung Cockpit annulliert worden waren. In beiden Sachen waren die vorgesehenen Heimflüge jeweils annulliert und die Reisenden auf andere Rückflüge, stets einige Tage später, nämlich drei beziehungsweise sechs, umgebucht. Die klagenden Reisenden pochten nun auf Ihr Recht aus der Europäischen Fluggastrechteverordnung; danach bekommen Fluggäste bei der Annullierung ihres Fluges grundsätzlich pauschal 600 Euro. Die Fluggesellschaft ist nur dann ausnahmsweise nicht zur Zahlung verpflichtet, wenn die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht.
Bislang gab es keine einheitliche Entscheidung dazu, ob die Airline zahlen muss, wenn der Flug wegen Arbeitskampfmaßnahmen annulliert wird. Auch hier urteilten die Vorinstanzen unterschiedlich, ob in solchen Fällen ein Ausgleich von 600 Euro zu zahlen sei. Die Amtsgerichte (AG Frankfurt am Main Urteil vom 24. März 2011- 32 C 2262/10-41 und AG Köln – Urteil vom 25. Oktober 2010 – 142 C 153/10) hatten die Lufthansa erstinstanzlich jeweils zur Leistung der Ausgleichszahlungen verurteilt. Im Verfahren X ZR 138/11 wies das Landgericht Köln (Urteil vom 27. Oktober 2011 – 6 S 282/10) die Berufung zurück, denn es sah den Streik eigener Mitarbeiter des Luftfahrtunternehmens nicht als außergewöhnliches Ereignis im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung an. Das sah im Verfahren X ZR 146/11 das Landgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 8. November 2011 – 2-24 S 80/11) anders und hat auf die Berufung hin das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Es sieht in einem Streik ein unabwendbares Ereignis im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung. Lufthansa habe die Annullierung des Rückfluges auch nicht durch zumutbare Maßnahmen vermeiden können.
Der Ansicht sind auch die Karlsruher Richter vom Bundesgerichtshof. Denn bei einem Streik handele es sich um solche außergewöhnlichen Umstände. Dabei spiele es keine Rolle, ob bei der Airline selbst gestreikt wird, oder etwa das Flughafenpersonal die Arbeit niederlegt. Sinn des Streiks sei es gerade, die „normale Betriebstätigkeit“ gezielt zu beeinträchtigen oder lahmzulegen. Nach Ansicht der Richter des 10. Zivilsenats des BGH ist ein Streik von der Fluggesellschaft im Regelfall nicht beherrschbar, denn die Entscheidung zum Streik werde von der Arbeitnehmerseite im Rahmen der Tarifautonomie getroffen und wirke – wie auch andere als
„außergewöhnlich“ im Sinne EU-Verordnung anerkannte Umstände, z.B. Defekte der Technik, politische Instabilität, Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken – von „außen“ auf die Fluggesellschaft ein. Gestützt wird diese Ansicht der Bundesrichter auch durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof (EuGH).
Gleichwohl ist eine Ausgleichszahlung für Passagiere nicht gänzlich ausgeschlossen. Entscheidend ist jedoch, ob die Airline alle zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um die Auswirkungen eines Streiks zu vermeiden. Auch muss die Fluggesellschaft alles tun, um möglichst schnell wieder zum Normalbetrieb zurückzukehren.
Wer also schon verspätet aus dem Urlaub kommt und die Fluggesellschaft hierfür verantwortlich sieht, sollte zumindest rechtzeitig den Weg zum Rechtsanwalt finden, um im Einzelfall prüfen zu lassen, ob ihm die Rechte nach der o.g. EU-Verordnung zustehen.
Jan Steinmetz
Rechtsanwalt und Fachanwalt
Rechtsanwaltskanzlei Wulf & Collegen

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