info@kanzlei-wulf.de

}

08:00 – 17:00 Uhr

MD: 0391 73746100

§ 8 Abs. 1 Satz 1 StVO bestimmt „An Kreuzungen und Einmündungen hat die Vorfahrt, wer von rechts kommt.“
Diese Vorfahrtsregel „rechts vor links“ kann auf Parkplätzen nur angewandt werden, wenn die einander kreuzenden Verbindungswege hinsichtlich Markierung, Breite und Verkehrsführung im Wesentlichen gleichartige Merkmale aufweisen, sie den Straßencharakter der Fahrbahn klar und unmissverständlich wiedergeben. So führt in einer aktuellen Entscheidung zu einer bei Verkehrsteilnehmern unterschätzten Rechtsfrage das Landgericht Detmold (Urteil vom 02.05.2012, Az.: 10 S 1/12) aus und weist damit die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts auf seine Kosten zurück.
Die Parteien stritten über die Verursachung eines Verkehrsunfalls auf einem Parkplatz. Der Kläger fuhr mit seinem PKW von der Straße auf das Parkplatzgelände, welches im Wesentlichen parallel zur Straße verläuft und rechtwinklig angelegt ist. An Fahrbahnmarkierungen sind an den jeweiligen Kanten des Parkplatzes rechtwinklig zur übrigen Fahrfläche Parkbuchten eingezeichnet. Darüber hinaus befindet sich ein Zebrastreifen auf der Fahrbahn. Die vom Kläger befahrene Zufahrt zum Parkplatzgelände ist links und rechts mit einem durch Bordsteine abgegrenzten Beet von der Länge einer Parkfläche versehen. Am Ende dieser Zufahrt zum Parkplatz hin befindet sich ein Hinweis: „Auf diesem Parkplatz gelten die Bestimmungen der StVO“. Kurz nach der Auffahrt auf das Gelände kam es zu einer Kollision mit dem von der Beklagten zu 1. gelenkten PKW, der sich für den Kläger von links genähert hatte. Die ebenfalls beklagte Haftpflichtversicherung hatte im Laufe der rechtlichen Auseinandersetzung nahezu 50 % des geltend gemachten Schadens erstattet hatte. Das Amtsgericht hatte dem Kläger weitere 207,76 Euro zugesprochen. Dabei war es aufgrund der nach § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung der Verursachungsbeiträge zu gleichrangigen Haftungsanteilen der Parteien gekommen. Es hat die Auffassung vertreten, dass im Unfallbereich auf dem Parkplatzgelände ein eindeutiger Straßencharakter nicht festzustellen sei. Darum sei der Beklagten zu 1. kein schuldhafter Vorfahrtsverstoß nach § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO zur Last zu legen.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Berufung und begehrte den Ersatz seines gesamten Schadens mit der Argumentation, auf dem streitgegenständlichen Parkplatz gelte die Straßenverkehrsordnung. Die vom Kläger benutzte Zufahrt sei rechts und links mit Bordsteinkanten versehen. Aus diesem Grund sei diese als straßenähnlich zu betrachten. Die Beklagte zu 1. sei aufgrund zu hoher Geschwindigkeit und unter Missachtung der Vorfahrt seitlich in das Heck des Klägers hineingefahren.
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Das Landgericht Detmold hat das Urteil des Amtsgerichts bestätigt. Der Kläger hat danach einen Schadensersatzanspruch aus §§ 7, 17 StVG, 115 VVG lediglich in Höhe von 50 % des ihm entstandenen Schadens. Für keine der am Unfall beteiligten Parteien sei der Unfall unvermeidbar gewesen. Das Amtsgericht und das Landgericht sahen die Betriebsgefahren der Fahrzeuge nach § 17 Abs. 3 StVG als gleichwertig an.
Die Richter führten aus, der Kläger könne sich auf ein vermeintliches Vorfahrtsrecht nicht berufen. Dabei stützen sie sich auf die nahezu ganz herrschende Rechtsprechung (zusammengefasst u.a. in Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 15.02.2001, 6 U 202/00), dass auf einem Parkplatz die Vorfahrtsregelung „rechts vor links“ nur dann gilt, wenn die einander kreuzenden Verbindungswege hinsichtlich Markierung, Breite und Verkehrsführung im Wesentlichen gleichartige Merkmale aufweisen, so dass der Straßencharakter der Fahrbahnen klar und unmissverständlich ist. Weise ein Parkplatz hingegen nur Parkflächenmarkierungen auf, gelte § 8 StVO nicht. Auf Parkplätzen markierte Fahrspuren sind danach grundsätzlich keine dem fließenden Verkehr dienenden Straßen und gewähren deswegen keine Vorfahrt. Allenfalls dann, wenn die auf dem Parkplatz vorgesehenen Fahrspuren durch besondere bauliche Maßnahmen so von den Parkplätzen getrennt sind, dass erkennbar ein Netz von eigens für den Fahrverkehr bestimmen Fahrbahnen geschaffen worden ist, kann die Anwendung des § 8 StVO in Betracht kommen.
Für Fahrzeugführer bedeutet dies auf Parkplätzen daher noch größere Sorgfalt. Denn in der konkreten Verkehrssituation ist es wohl kaum zu gewährleisten, sich einen zuverlässigen Eindruck über die örtliche Parkplatzsituation derart zu verschaffen, dass mit Sicherheit entschieden werden kann, ob der Straßencharakter der Fahrbahnen klar und unmißverständlich zu erkennen ist. Auf einem Parkplatz darf aber zudem selbst der Vorfahrtberechtigte nicht auf die Beachtung des Vorrechts vertrauen, sondern ist gemäß § 1 Abs. 2 StVO verpflichtet, den wartepflichtigen Verkehr aufmerksam zu beobachten, um erforderlichenfalls auf sein Vorrecht zu verzichten und sofort unfallvermeidend anhalten zu können.
Jan Steinmetz
Rechtsanwalt und Fachanwalt
Rechtsanwaltskanzlei Wulf & Collegen

Erfahrungen & Bewertungen zu Rechtsanwaltskanzlei Wulf & Collegen