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Krankmeldung unter Beobachtung – wenn Überwachung zu weit geht

Was als legitimer Verdacht beginnt, kann rechtlich ins Leere laufen: Wenn ein Arbeitgeber bei krankgeschriebenen Mitarbeitenden heimlich eine Detektei einschaltet, steht schnell der Vorwurf eines Datenschutzverstoßes im Raum. Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts zeigt, wie schnell diese Grenze überschritten ist – und wann das Unternehmen zur Kasse gebeten wird.

Wie Überwachung aus Misstrauen entsteht

Ein langjähriger Mitarbeiter, tätig im Außendienst und aus dem Homeoffice, wird arbeitsunfähig gemeldet – nicht zum ersten Mal. Das Vertrauensverhältnis zur Arbeitgeberin war bereits angeschlagen. Als erneut Zweifel an der Krankschreibung aufkommen, beauftragt die Firma kurzerhand eine Privatdetektei.

Die Beobachtungen dokumentieren scheinbar belastende Aktivitäten: Einkäufe, körperliche Arbeit am Haus, Tragen schwerer Gegenstände. Doch statt einer Kündigungsklage folgt ein ganz anderer juristischer Schritt – der Mitarbeiter fordert Schadenersatz wegen unzulässiger Datenverarbeitung.

Gericht entscheidet: Unzulässige Überwachung sensibler Daten

Das Bundesarbeitsgericht urteilte deutlich: Die Überwachung war nicht rechtmäßig. Es handelte sich um die Verarbeitung von Gesundheitsdaten, die nach Artikel 9 der DSGVO besonders geschützt sind. Ohne tragfähige rechtliche Grundlage oder eine zwingende Notwendigkeit war die Maßnahme unverhältnismäßig.

Das Gericht stellte fest:

  • Es fehlte ein konkreter Anlass, um die ärztliche Bescheinigung infrage zu stellen.
  • Eine verhältnismäßige Alternative, etwa eine medizinische Überprüfung durch den MDK, wurde nicht erwogen.
  • Die Beauftragung der Detektei war somit ein vermeidbarer Eingriff in die Privatsphäre.

Das Ergebnis: 1.500 Euro immaterieller Schadensersatz wegen Datenschutzverstoßes.

Rechtlicher Rahmen für Überwachung im Arbeitsverhältnis

Wer Maßnahmen gegen mutmaßlichen Missbrauch ergreifen will, muss sich in einem engen rechtlichen Korridor bewegen:

  • Art. 9 DSGVO untersagt grundsätzlich die Verarbeitung von Gesundheitsdaten – Ausnahmen nur bei gesetzlich definierter Grundlage.
  • § 26 BDSG erlaubt solche Eingriffe nur, wenn sie erforderlich sind und die Rechte der Betroffenen nicht überwiegen.
  • § 22 BDSG verlangt zudem besondere Schutzmaßnahmen und Garantien bei besonders sensiblen Daten.

Was das Urteil zur Überwachung deutlich macht

Die Entscheidung des Gerichts lässt keinen Interpretationsspielraum: Arbeitgeber müssen sehr genau abwägen, ob und wann eine Überwachung zulässig ist. Vor allem geht es darum, nicht vorschnell Maßnahmen zu ergreifen, die tief in die Persönlichkeitsrechte von Beschäftigten eingreifen.

Konkret folgt aus dem Urteil:

  • Detekteien dürfen nur im Ausnahmefall eingesetzt werden. Ein bloßer Verdacht reicht nicht – es müssen objektiv nachvollziehbare Hinweise vorliegen.
  • Gesundheitsdaten unterliegen dem höchsten Schutzniveau der DSGVO. Ihre Verarbeitung ist nur unter sehr engen rechtlichen Voraussetzungen erlaubt.
  • Jede Maßnahme muss einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten. Sie muss erforderlich, geeignet und das mildeste Mittel sein.
  • Mildere Alternativen – wie die Einschaltung des Medizinischen Dienstes – haben Vorrang. Sie müssen geprüft und dokumentiert werden, bevor überhaupt über eine Überwachung nachgedacht wird.

Diese Grundsätze gelten unabhängig vom Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer – und auch dann, wenn das Vertrauen bereits gestört ist.

Fazit: Bei Überwachung ist Zurückhaltung Pflicht

Das Urteil ist ein klares Signal: Arbeitgeber dürfen nicht einfach aus einem Bauchgefühl heraus handeln. Wer Mitarbeitende observieren lässt, muss belastbare Anhaltspunkte vorweisen und vorher prüfen, ob mildere Mittel ausreichen. Datenschutz hat Vorrangauch bei angespanntem Vertrauensverhältnis.

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Rechtsanwalt | Sandro Wulf

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