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Verzögerte Zielvorgabe: Ein teures Versäumnis

Die rechtzeitige Festlegung von Zielvorgaben ist für Unternehmen essenziell – nicht nur aus strategischer Sicht, sondern auch aus arbeitsrechtlicher Perspektive. Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Februar 2025 bestätigt: Wird diese Pflicht versäumt, kann dies für Arbeitgeber erhebliche finanzielle Konsequenzen haben. Arbeitnehmer können unter bestimmten Umständen Schadensersatz geltend machen, wenn ihnen durch verspätete oder ausbleibende Zielvorgaben finanzielle Nachteile entstehen.

Pflicht zur Zielvorgabe: Warum Arbeitgeber handeln müssen

Zielvereinbarungen sind mehr als bloße Orientierungspunkte – sie sind vertragliche Verpflichtungen. In vielen Unternehmen ist die variable Vergütung an die Erfüllung von Zielen gekoppelt. Bleiben diese Ziele aus oder werden sie verspätet kommuniziert, kann der betroffene Arbeitnehmer seine Leistung nicht darauf ausrichten. Dies kann zu einem finanziellen Nachteil führen, für den der Arbeitgeber haftbar gemacht werden kann.

Fallbeispiel: Verspätete Zielvorgabe mit Folgen

Ein Arbeitnehmer in Führungsposition hatte Anspruch auf eine erfolgsabhängige Vergütung, die an Unternehmens- und individuelle Ziele gebunden war. Laut Betriebsvereinbarung mussten diese bis zum 1. März festgelegt sein. Doch 2019 unterließ der Arbeitgeber dies: Die Unternehmensziele wurden erst im Oktober kommuniziert, individuelle Ziele wurden gar nicht definiert.

Obwohl dem Arbeitnehmer eine variable Vergütung gezahlt wurde, lag diese unter dem Betrag, den er mit klaren und rechtzeitigen Zielvorgaben hätte erreichen können. Er klagte auf Schadensersatz – mit Erfolg. Sowohl das Landesarbeitsgericht Köln als auch das Bundesarbeitsgericht bestätigten seinen Anspruch.

Rechtliche Grundlagen: Schadensersatz durch Pflichtverletzung

Grundlage des Schadensersatzanspruchs ist § 280 Abs. 1 BGB, der besagt, dass der Gläubiger Schadensersatz verlangen kann, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt und er dafür verantwortlich ist. Das Bundesarbeitsgericht sah in der verspäteten oder fehlenden Zielvorgabe eine solche Pflichtverletzung.

Weiterhin spielte § 280 Abs. 3 BGB in Verbindung mit § 283 Satz 1 BGB eine entscheidende Rolle. Während § 280 Abs. 3 BGB den Schadensersatz statt der Leistung regelt, konkretisiert § 283 Satz 1 BGB diesen Anspruch, wenn eine Leistung nachträglich unmöglich wird. Das Gericht stellte klar: Eine Zielvorgabe, die erst nach Ablauf eines Großteils der Zielperiode erfolgt, verliert ihre Funktion und ist faktisch nicht mehr erfüllbar.

Ein weiterer wichtiger Aspekt war die Schadensberechnung. Hier griff § 252 Satz 2 BGB, der bestimmt, dass ein entgangener Gewinn ersetzt werden muss, wenn er mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen wäre. Das Gericht ermittelte den Anspruch des Arbeitnehmers anhand der in der Vergangenheit erzielten Durchschnittswerte und kam zu dem Schluss, dass die variablen Vergütungsbestandteile zu 100 % bei den Unternehmenszielen und zu 142 % bei den individuellen Zielen hätten erreicht werden können.

Zudem gestattete § 287 Abs. 1 ZPO dem Gericht eine Schätzung der Schadenshöhe nach freier Überzeugung, da eine exakte Berechnung nicht möglich war.

Kein Mitverschulden des Arbeitnehmers

Der Arbeitgeber argumentierte, der Arbeitnehmer hätte selbst nach seinen Zielen fragen müssen. Doch das Bundesarbeitsgericht stellte klar: Die Verpflichtung zur Zielvorgabe liegt ausschließlich beim Arbeitgeber. Ein Mitverschulden des Arbeitnehmers nach § 254 Abs. 1 BGB wurde ausgeschlossen.

Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber

Um finanzielle Risiken zu vermeiden, sollten Unternehmen proaktive Maßnahmen ergreifen:

  • Fristen einhalten: Zielvorgaben rechtzeitig definieren und schriftlich fixieren.
  • Verantwortlichkeiten klären: Zuständigkeiten für die Festlegung und Kommunikation der Ziele klar regeln.
  • Strukturierte Prozesse etablieren: Regelmäßige Überprüfung und frühzeitige Kommunikation der Ziele sicherstellen.
  • Rechtssicherheit schaffen: Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträge regelmäßig auf rechtliche Konformität prüfen.

Fazit: Präzise Zielvorgaben als rechtliche und wirtschaftliche Notwendigkeit

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zeigt eindrücklich, dass Arbeitgeber ihre Pflicht zur rechtzeitigen Zielvorgabe ernst nehmen müssen. Fehlende oder verspätete Ziele können nicht nur Motivation und Leistung der Mitarbeitenden beeinträchtigen, sondern auch erhebliche Schadensersatzansprüche nach sich ziehen. Unternehmen sollten daher klare Prozesse implementieren, um sowohl arbeitsrechtliche als auch wirtschaftliche Risiken zu minimieren.

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