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Ein Arbeitgeber gewährt durch die Freistellungserklärung in einem Kündigungsschreiben nur dann wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt.
BAG, Urteil vom 10.02.2015 – 9 AZR 455/13 (LAG Hamm)
Sachverhalt
Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.10.1987 beschäftigt. Mit Schreiben vom 19.05.2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung und hilfsweise fristgemäß zum 31.12.2011. Das Kündigungsschreiben enthielt folgenden Passus:
„Im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung werden Sie mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung Ihrer Arbeitsleistung freigestellt.“
Gegen die Wirksamkeit der Kündigung wandte sich der Kläger in einem beim ArbG Dortmund geführten Kündigungsrechtsstreit. Im Gütetermin vom 17.06.2011 vereinbarten die Parteien die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2011. Außerdem enthielt der Vergleich folgende Regelungen:
„5. Die Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis bis zum 30.06.2011 ordnungsgemäß ab. Die Parteien sind sich insofern auch dahingehend einig, dass der Kläger bis zum Beendigungstermin von der Erbringung seiner Arbeitsleistung und Fortzahlung der Vergütung freigestellt bleibt.
6. Mit Erfüllung dieses Vergleichs sind alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, gleich ob bekannt oder unbekannt, erledigt.“
Das ArbG Dortmund hat im vorliegenden Verfahren die Klage abgewiesen, mit der der Kläger Abgeltung von 15,5 Urlaubstagen verlangt. Das LAG hat der Klage stattgegeben und die Revision zugelassen, soweit es um den Anspruch auf Urlaubsabgeltung ging.
Entscheidung
Die Revision der Beklagten war im Ergebnis erfolgreich. Kündige ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich unter Wahrung der Kündigungsfrist und erkläre er im Kündigungsschreiben, dass der Arbeitnehmer für den Fall der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung unter Anrechnung der Urlaubsansprüche von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt werde, werde der Anspruch des Arbeitnehmers auf bezahlten Erholungsurlaub nicht erfüllt, wenn die außerordentliche Kündigung unwirksam sei. Nach § 1 BUrlG setze die Erfüllung des Anspruchs auf Urlaub neben der Freistellung auch die Zahlung der Vergütung voraus. Deshalb gewähre ein Arbeitgeber durch eine Freistellungserklärung in einem Kündigungsschreiben nur dann wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahle oder vorbehaltlos zusage. Vorliegend habe zwar die Beklagte den Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub mangels vorbehaltloser Zusage von Urlaubsentgelt nicht erfüllt. Die Klage sei dennoch abzuweisen, weil die Parteien ihre Ansprüche vergleichsweise abschließend geregelt hätten.
Praxishinweis
Schon aufgrund der ungewöhnlichen Erklärung des Arbeitgebers („im Falle der Wirksamkeit der hilfsweisen ordentlichen Kündigung“) bestehen Zweifel an der nötigen Deutlichkeit der Urlaubserteilung. Weiter fällt auf, dass sich der Senat veranlasst sieht, sich mit der Frage einer ordnungsgemäßen Urlaubsgewährung durch Freistellung nach fristloser Kündigung auseinanderzusetzen, obwohl nach seiner Auffassung der Anspruch auf Urlaubsabgeltung durch Vergleich erledigt worden ist. Da das Urteil bisher nur in Form der Pressemitteilung vorliegt (FD-ArbR 2015, 366186), darf mit Spannung auf das vollständige Urteil gewartet werden. Bei fristlosen Kündigungen kommen für Arbeitgeber m.E. zwei Varianten in Betracht, um sie vor Überraschungen zu schützen, nämlich:
(1) Der Arbeitgeber kündigt nicht fristlos, sondern schiebt zur Abwicklung nicht erledigter Urlaubsansprüche den Kündigungstermin entsprechend der offenen Urlaubsdauer hinaus und gewährt ausdrücklich Urlaub. Vorsorglich sollte zusätzlich erklärt werden, dass während dieser Zeit der Arbeitslohn als Urlaubsentgelt weitergezahlt wird. § 11 II BUrlG ist m.E. aber nur als bloße Fälligkeitsregel zu verstehen.
(2) Der Arbeitgeber kann aber auch fristlos kündigen und den nicht genommenen Urlaub abgelten. Für den Fall der Unwirksamkeit dieser Kündigung müsste hinzugefügt werden, dass sich der Urlaub an den Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung anschließt und die Abgeltung dann das Urlaubsentgelt darstelle.
Zitiert aus beck-aktuell-Redaktion, Verlag C.H. Beck, 3. März 2015
Sandro Wulf
Rechts- und Fachanwalt für Arbeitsrecht
in Stendal und Magdeburg

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