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Sie war von Anbeginn ein umstrittenes Vorhaben, sorgte für viel Unmut, Unverständnis und Aufsehen und auch erhebliche Rechtsunsicherheit bei Behörden, Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Medizin und Pflege: die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht

Sie sollte laut Gesetzgeber und nach dem Bundesverfassungsrecht auch gar keine Impf-Pflicht sein, gewann aber aufgrund der Ausgestaltung der gesetzlichen Regelungen faktisch genau diesen Charakter.

Seit 16.03.2022 müssen alle, die für Pflegedienste, in Kliniken oder Praxen oder vergleichbaren Einrichtungen arbeiten, eine vollständige Corona-Impfung bzw. eine Impfunfähigkeitsbescheinigung nachweisen. Ansonsten drohen Bußgelder bis zu, 2.500,00 € und sogar Betretungs- bzw. Tätigkeitsverbote. Beschlossen worden war die faktische Teil-Impfpflicht Ende 2021 vom Bundestag. Geregelt ist sie in § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG). Ende des Jahres 2022 läuft die gesetzliche Regelung aus.

Lange bangten alle Betroffenen und Beteiligten, ob der Gesetzgeber eine Verlängerung beschließt.

Nachdem nunmehr ihr bisher wohl prominentester und glühendster Verfechter, Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der diese Pflicht stets mit dem notwendigen Schutz für die sogenannten vulnerablen Gruppen (z.B. Alte und Vorerkrankte) begründete, hieran nicht mehr festhält, gilt das Auslaufen der Regelung zum 31.12.2022 als sicher.

Was bedeutet das nun aber für die Menschen in unserem Land?

Die Gesundheitsämter können bis Jahresende 2022 grundsätzlich immer noch Tätigkeits- oder Betretungsverbote für Beschäftigte von Kliniken oder Pflegeeinrichtungen aussprechen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.

Liegt ein solches Tätigkeits- oder Betretungsverbot vor, kann auch der Arbeitgeber mit einer Freistellung (bezahlt oder unbezahlt) reagieren.

Vom Gesundheitsamt droht weiter das mögliche Bußgeld, wenn man der Aufforderung zur Vorlage eines Immunitätsnachweises nicht nachgekommen ist.

Wie kann es weitergehen, wenn die gesetzliche Grundlage für die partielle Impfpflicht zum Jahresende ausläuft?

Dazu muss man die rechtlichen Verhältnisse zwischen

  • Arbeitgeber und Arbeitnehmer einerseits und
  • dem Betroffenen und dem Gesundheitsamt

unterscheiden.

Was gilt Verhältnis Arbeitgeber – Arbeitnehmer?

1. Neueinstellung/ Wiedereinstellung

Ab 01.01.2023, wenn § 20a IfSG weggefällt, ist die Neueinstellung von Mitarbeitern in Medizin und Pflege ohne die aktuell geforderten Nachweise möglich.

Auch zwischenzeitlich wegen der Regelung ausgeschiedene Mitarbeiter dürfen nun wieder eingestellt werden, ohne einer Nachweispflicht zu unterliegen.

2. Weiterbeschäftigung nach Freistellung/ Kündigung

Hatte der Arbeitgeber eine Freistellung ausgesprochen, dürfte die Rechtsgrundlage dieser, nach dem Direktionsrecht nach § 106 GewO grundsätzlich möglichen Maßnahme, entfallen und eine Weiterbeschäftigung durchsetzbar sein.

Gibt es sogar eine Kündigung, gilt dasselbe.

Hat der Mitarbeiter gegen die Kündigung nicht rechtzeitig geklagt, ist diese nach § 7 KSchG wirksam.

Ist Klage erhoben, stehen die Chancen gut: es sollte hier ein Antrag auf Weiterbeschäftigung mit Aussicht auf Erfolg möglich sein.

Im Wege der einstweiligen Verfügung wird das zwar schwer, denn hier sind besondere Anforderungen an den sogenannten Verfügungsgrund zu stellen, weil der Antrag auf die Erfüllung des Anspruchs zielt. Es müssen Tatsachen vorgetragen und belegt werden, die die Eilbedürftigkeit des Antrags begründen.

Eine in diesem Kontext ausgesprochene Kündigung steht aber auf sehr wackeligen Füßen, denn es wird in der Regel an der stets zu prüfenden Verhältnismäßigkeit fehlen. Es standen dem Arbeitgeber regelmäßig  mildere Mittel, nämlich die zeitlich befristete Freistellung, eventuell auch eine Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes oder Homeoffice, zur Verfügung.

3. Hat der Arbeitgeber unzulässig freigestellt

In einem solchen Fall entsteht in der Regel vor dem Arbeitsgericht Streit um die Vergütung. Arbeitgeber berufen sich auf die Regelungen zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht und verweigern Zahlungen an den Arbeitnehmer. Dafür können sie sich auf Entscheidungen des Arbeitsgericht Gießen, 12. April 2022 – 5 Ga 1/22 und 5 Ga 2/22 sowie des ArbG Köln, Urteil vom 21. Juli 2022 – 8 Ca 1779/22 berufen, die dem Arbeitgeber Recht gaben.

Genau entgegengesetzt sah es das ArbG Dresden (Urteil vom 29. März 2022 – 9 Ga 10/22) und entschied für den Arbeitnehmer. Und das zu Recht, denn die Arbeitsgerichte Gießen und Köln verkennen die vom Gesetzgeber vorgenommene Unterscheidung zwischen den so genannten Bestandsbeschäftigten gem. § 20a Abs. 2 IfSG und den ab 16.03.22 „Neu-Beschäftigten“ gemäß § 20 Abs. 3 IfSG. Auch hat der Gesetzgeber die Abwägungsentscheidung über ein Beschäftigungs-/ Tätigkeitsverbot nicht dem Arbeitgeber überantwortet, sondern gemäß § 20a Abs. 5 IfSG dem Gesundheitsamt. Dürfte der Arbeitgeber vor Entscheidung des Gesundheitsamtes die fehlende Immunisierung als überwiegendes entgegenstehendes Interesse einer Weiterbeschäftigung entgegenhalten, wäre die gesetzliche Konzeption umgangen und der Arbeitnehmer durch die Hintertür seines im Verwaltungsverfahren eingeräumten Verfahrensschutzes beraubt. Aus den FAQs des Bundesministeriums für Gesundheit folgt: „Die öffentlich-rechtliche Vorschrift des § 20a IfSG begründet kein Recht des Arbeitgebers zur Freistellung.“

Wenn daher auch ungeimpften Bestandsarbeitnehmern die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung bis zur Anordnung eines Betretungs-/ Tätigkeitsverbots durch das Gesundheitsamt möglich bleibt, können sie ihre Arbeitskraft ordnungsgemäß anbieten. Wurden Arbeitnehmer vom Arbeitgeber freigestellt, kann ihnen Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs (§ 615 BGB) zustehen.

Auch das Arbeitsgericht Paderborn hat mit Urteil vom 28.10.2022 – 3 Ca 529/22 daher richtigerweise zu Gunsten der Arbeitnehmerin entschieden.

Die Freistellung wird dann für den Arbeitgeber teuer.

Was gilt im Verhältnis Gesundheitsamt – Betroffener?

1. Kommt eine Anforderung zur Unterlagenvorlage vom Gesundheitsamt:

Es empfiehlt sich, Widerspruch einzulegen und Akteneinsicht zu beantragen – selbst oder mit Anwalt. Auf unsere Musterschreiben kann man gern zurückgreifen. Zwar antworten einige Gesundheitsämter, es handele sich bei der Anhörung nicht um einen Verwaltungsakt und ein Widerspruch sei unzulässig.

Das dürfte aber falsch sein.

Denn bei der Aufforderung zur Vorlage eines Immunitätsnachweises handelt es sich um eine hoheitliche Maßnahme und Verfügung. Das Gesundheitsamt ist eine Behörde. Mit der Anforderung regelt diese einen Einzelfall, da konkret der eine betroffene Arbeitnehmer aufgefordert wird, einen Immunitätsnachweis vorzulegen. Anerkannt ist, dass § 20a IfSG eine Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts ist und damit trifft das Gesundheitsamt eine Verfügung und hoheitliche Maßnahme auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Diese ist auch auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet, denn damit soll der Arbeitnehmer verpflichtet werden, den Immunitätsnachweis vorzulegen. An die Nicht-Vorlage sind unmittelbare Rechtsfolgen in § 20a IfSG geknüpft. Anders erklären sich die vom Gesetz an die Nichtvorlage geknüpften Sanktionen nicht.

2. Kommt ein Betretungs-/ Beschäftigungsverbot:

In einem solchen Fall muss der Betroffene sofort Widerspruch erheben – allein oder über einen Anwalt. Wegen der einzuhaltenden Frist muss unbedingt auf einen Zugangsnachweis geachtet werden. Wichtig: Der Widersprich muss nicht begründet werden.

Erlässt die Behörde einen (ablehnenden) Widerspruchsbescheid, kann Klage erhoben werden. Diese Verfahren, wie auch bereits laufende Verfahren bei den Verwaltungsgerichten, werden aber bei normalem Lauf der Dinge frühestens 2023 entschieden.

ACHTUNG! In den Ländern

  • Nordrhein-Wetsfalen,
  • Bayern und
  • Niedersachen

ist ein Widerspruchsverfahren unstatthaft! Hier muss direkt geklagt werden! Wiederum ist die Klagefrist zu beachten.

NOCHMALS ACHTUNG! Widerspruch und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung! Deshalb muss die Anordnung auch bei der Erhebung von Widerspruch und Klage befolgt werden. Zwar ist ein

  • im Widerspruchsverfahren ein so genannter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO bei der Behörde bzw.
  • im Klageverfahren ein so genannter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO

möglich. Da aber die Oberverwaltungsgerichte Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Niedersachen jeweils Entscheidungen fällten, in denen die einstweilige Anordnung abgelehnt wurde, bestehen hierfür eher geringe Erfolgschancen. Jedoch sollte jeder Einzelfall geprüft werden.

Mit Auslaufen des Gesetzes zum 31.12.2022 fällt die gesetzliche Grundlage ab 01.01.2023 weg. Daher kann man über einen Eilantrag zur Anordnung der aufschiebenden Wirkung zumindest ab Neujahr nachdenken. Denn ab diesem Zeitpunkt bedarf es dann eben keiner Impfung, keines Immunitätsnachweises oder einer Impfunfähigkeitsbescheinigung mehr. Ein Beschäftigungs- und/oder Betretungsverbot wäre rechtswidrig.

3. Kommt ein Bußgelbescheid:

In diesem Fall muss unbedingt fristgemäß innerhalb von 14 Tagen Einspruch eingelegt werden, wobei auf einen Nachweis des Zugangs bei der Behörde zu achten ist. Auch das geht ohne Anwalt. Für die Argumentation gegenüber der Behörde und dann dem Richter bedarf es jedoch ziemlich genauer Kenntnis der Materie, sodass sich hier die Beauftragung eines Anwalts empfiehlt.

Gerichte entscheiden über die Rechtslage zur Zeit des Erlasses eines Bußgeldbescheides, weshalb allein das Auslaufen der Regelung des § 20a IfSG als Argument ungenügend ist.

Haben Sie Fragen zu der Thematik? Benötigen Sie Unterstützung? Rufen Sie uns an oder schicken uns eine E-Mail! Wir helfen Ihnen gern.

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