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Welche Pflichten hat der Arbeitgeber im Fall sexueller Übergriffe?

Vor diesen hat er gemäß § 12 AGG die Beschäftigten zu schützen. Denn sexuelle Belästigung ist eine schwerwiegende Pflichtverletzung, stört die innerbetriebliche Zusammenarbeit erheblich und muss daher ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen. Da kann der Griff in den Schritt den Tritt zur Tür hinaus für den grapschenden Arbeitnehmer bedeuten.

Möglich sind insbesondere

  • Abmahnung,
  • Umsetzung,
  • Versetzung,
  • Kündigung.

Es hängt von der Schwere der Belästigung ab, ob vor Kündigung eine Abmahnung erfolgen muss. In besonders gravierenden Fällen ist die fristlose „außerordentliche“ Kündigung (§ 626 BGB) möglich.

Was sagen die Gerichte?

Gerade wenn die sexuelle Belästigung vorsätzlich und sexuell motiviert war, kann dies eine fristlose Kündigung begründen. Den Beispielsfall des BAG im Urteil vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16 hatten wir in Teil 2 unserer Artikel-Serie erwähnt.

Auch schon in seinem Urteil vom 09.06.2011 – 2 AZR 323/10 hat das BAG eine fristlose Kündigung wegen mehrmaliger sexueller Belästigung bestätigt, denn der gekündigte Kollege hatte – nachdem er wegen eines Schlags auf Gesäß der Kollegin abgemahnt wurde, seine Kollegin „an zwei aufeinander folgenden Arbeitstagen gleich mehrfach mit anzüglichen Bemerkungen verbal sexuell belästigt und damit zum Sexualobjekt erniedrigt. Dadurch entstand für die betroffene Mitarbeiterin zudem ein Arbeitsumfeld, in welchem sie jederzeit mit weiteren entwürdigenden Anzüglichkeiten seitens des Klägers rechnen musste.“

Eine unstreitige sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz rechtfertigt indes nicht immer direkt die außerordentliche fristlose Kündigung.

Auch hier gelten Abmahnung und ordentliche Kündigung als mildere Mittel (LAG Hamm, Urteil 23.02.2022 – 10 Sa 492/21).

So entschied auch das BAG mit Urteil vom 20.11.2014 – 2 AZR 651/13. Im dortigen Fall hatte der Kläger einer neuen Kollegin gesagt: „Sie haben einen schönen Busen.“, und sie an der Brust berührt. Als sie erklärte, sie wünsche das nicht, ließ er sofort von ihr ab. In der Aussage, die Frau habe einen schönen Busen, sah das BAG kein sozialadäquates Kompliment, sondern eine unangemessene Bemerkung sexuellen Inhalts. In der anschließenden Berührung lag ein sexuell bestimmter Eingriff in die körperliche Intimsphäre der Kollegin. Beides war objektiv unerwünscht. Mit seinen erkennbar unerwünschten Handlungen hat der Kläger im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG die Würde seiner Kollegin verletzt und sie zum Sexualobjekt erniedrigt. Allerdings sah das BAG die Kündigung als unverhältnismäßig an, weil der Arbeitgeber verpflichtet gewesen sei, den Kläger vorrangig abzumahnen. Es fehlte an Umständen, die zu der Annahme berechtigten, selbst nach einer Abmahnung sei von einer Wiederholungsgefahr auszugehen. Die Pflichtverletzung wiege auch nicht so schwer, dass eine Abmahnung entbehrlich gewesen wäre.

Der Arbeitgeber hat aber jedenfalls stets die gesetzliche Pflicht, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sexuelle Belästigungen zu verhindern. Hierunter fallen grundsätzlich auch vorbeugende Maßnahmen (§ 12 AGG), z.B. Schulung der Mitarbeiter oder die Einrichtung einer Beschwerdestelle. Wird ihm eine sexuelle Belästigung angezeigt, muss der Sachverhalt gründlich ermittelt werden. Aber solange der Vorwurf nicht bestätigt ist, kann von einer Schuld des Arbeitnehmers nicht zwangsläufig ausgegangen werden. Kam es tatsächlich zu einer sexuellen Belästigung, ist der Arbeitgeber verpflichtet, etwa eine der o.g. angemessenen Maßnahmen zu ergreifen (§ 12 Abs. 3 AGG). Die Schwere der Belästigung ist entscheidend für die Wahl der Maßnahme.

Erfolgte die Belästigung durch einen Dritten – beispielsweise einen Kunden – muss der Arbeitgeber gemäß § 12 Abs. 4 AGG versuchen, den Arbeitnehmer zukünftig zu schützen.

Egal ob betroffene Arbeitnehmer, Kollegenkreis oder Arbeitgeber: niemand sollte sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz oder irgendwo anders hinnehmen.

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