Durch unsere Kanzlei wurde ein Musterurteil erstritten, welches zwischenzeitlich auch bei der für Juristen bekannten Suchplattform „juris“ veröffentlicht worden ist. Im Leitsatz dieser Entscheidung heißt es:
„Während einer Arbeitsunfähigkeit ist eine Arbeitnehmerin nicht verpflichtet ein Dienst-Kfz im Betrieb abzuliefern. Leistungsort ist in diesem Fall der Wohnort der Arbeitnehmerin.“
In diesem veröffentlichten Urteil haben die Parteien über die Wirksamkeit zweier Kündigungen, die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin, Entgeltfortzahlung für die Klägerin während einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und Schadenersatz wegen nicht rechtzeitiger Rückgabe der Schlüssel eines der Klägerin von der Beklagten auch zur Privatnutzung überlassenen Dienst-Kfz gestritten.
Im Ergebnis der bereits für die Mandantschaft obsiegenden erstinstanzlichen Entscheidung hat das Berufungsgericht, Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, mit dem 10.01.2013 entschieden, dass die Kündigungen unwirksam waren und im Ergebnis die Klägerin einen Entgeltanspruch hat und nicht Schadenersatz leisten muss wegen der nicht rechtzeitigen Rückgabe der Schlüssels für das auch zur Privatnutzung überlassene Dienst-Kfz.
Die Klägerin/Arbeitnehmerin war erkrankt. Der Arbeitgeber hatte die Arbeitnehmerin aufgefordert, während der Dauer der Erkrankung das Fahrzeug herauszugeben und auf dem Firmengelände abzustellen. Dem konnte die Klägerin wegen der Erkrankung nicht folgen. Der Arbeitgeber sah sich danach veranlasst, gegen die Klägerin Schadenersatzansprüche geltend zu machen, die sich daraus ergeben haben sollen, dass das Fahrzeug nicht rechtzeitig dem Arbeitgeber übergeben wurde.
Das Landesarbeitsgericht hat unter Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung des Arbeitsgerichtes Brandenburg entschieden:
„Der von der Beklagten widerklagend geltend gemachte Anspruch auf Schadenersatz wegen Nicht- Herausgabe des Schlüssels zum Dienstwagen hat das Arbeitsgericht zu Recht abgewiesen, da es sich bei dem Herausgabeanspruch um eine Holschuld der Beklagten handelt und die Beklagte eine Herausgabe am Leistungsort nicht verlangt hat.“
Als Leistungsort der Herausgabe hat das Gericht klarstellend festgestellt, dass dies der Wohnort der Arbeitnehmerin ist. Das Landesarbeitsgericht hat ferner formuliert:
„Die Beklagte (der Arbeitgeber – zur Erklärung eingefügt durch Rechtsanwalt Wulf) hat als Eigentümerin, deren Eigentum zu Gunsten der Beklagten unterstellt wird, gemäß § 985 BGB einen Anspruch auf Herausgabe des Pkw gegen die Klägerin als Besitzerin des Pkw, es sei denn, dass diese ein Besitzrecht gemäß § 986 BGB hat. Die Klägerin hatte zumindest aufgrund einer konkludenten Nebenabrede zum Arbeitsvertrag einen Anspruch auf Überlassung des Pkw auch zur Privatnutzung. Da es sich bei der Privatnutzung um einen geldwerten Vergütungsanspruch handelt, setzt auch der Besitzanspruch einen Vergütungsanspruch voraus. Dieser endet nach Ablauf der Entgeltfortzahlungspflicht, so dass dann auch der Besitzanspruch – zumindest vorübergehend – ruht und die Klägerin deshalb das Fahrzeug und die Schlüssel herauszugeben hat.“
Danach hat das Gericht noch einmal bestätigt, dass für den Zeitraum der Entgeltfortzahlungspflicht von 6 Wochen der Arbeitnehmer, soweit im Arbeitsvertrag nicht etwas anderes vereinbart ist, einen Anspruch hat, das zur Privatnutzung überlassene Fahrzeug auch weiter in seinem Besitz zu behalten. Die Herausgabepflicht an den Arbeitgeber entsteht erst nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraumes bei fortlaufender Arbeitsunfähigkeit.
Das Gericht hat weiter formuliert:
„Die Herausgabe findet grundsätzlich an dem Ort statt, an dem sich die herauszugebende Sache befindet bzw. am Wohnort des Schuldners (§ 269 BGB), sofern nicht nach der Natur des Schuldverhältnisses etwas anderes gilt. Verzug tritt nur ein, wenn der Gläubiger (hier der Arbeitgeber – zur Erklärung eingefügt durch Rechtsanwalt Wulf) die erforderliche Handlung vornimmt bzw. anbietet und der Schuldner (hier der Arbeitnehmer – zur Erklärung eingefügt durch Rechtsanwalt Wulf) eine notwendige Mitwirkungshandlung verweigert. Das ist hier nicht passiert. Ganz im Gegenteil hatte die Klägerin überobligatorisch einen Boten zur Übergabe in den Betrieb des Beklagten entsandt und danach das Fahrzeug dort abstellen lassen und die Schlüssel zur Herausgabe bei ihrem Prozessbevollmächtigten bereitgehalten. Dieses ist ausreichend. Denn auch die Natur eines Arbeitsverhältnisses gebietet nichts anderes. Die Klägerin ist während der Arbeitsunfähigkeit nicht verpflichtet, im Betrieb zu erscheinen. Insofern verbleibt es bei der Holschuld der Beklagten.“
Im Ergebnis wurden danach die Grundsätze bestätigt und konkretisiert, wonach der Arbeitnehmer einen Besitz an dem Fahrzeug, welches ihm zur privaten Nutzung überlassen wurde, auch während der Arbeitsunfähigkeit hat und, soweit nicht der Entgeltfortzahlungszeitraum abgelaufen ist, als auch wann und wie das Fahrzeug an den Arbeitgeber herausgegeben werden müsste.
Bei dahingehenden weiteren Fragen können Sie sich gerne an unsere Kanzlei wenden.
Sandro Wulf
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht
für die Rechtsanwaltskanzlei
Wulf & Collegen