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Diese Frage stellt sich zunehmend im Rahmen der Vorgaben aus der Corona-Arbeitsschutzverordnung.

Durch die Corona-Verordnungen wurde festgeschrieben, dass der Arbeitgeber die Mitarbeiter im Homeoffice beschäftigen soll, die das wünschen und deren Tätigkeit unter Berücksichtigung betrieblicher Notwendigkeiten geeignet ist. Dies gilt vorerst bis zum 30.04.2021.

Man muss jedoch kein Prophet sein, um die Prognose zu wagen, dass diese Regelung auch darüber hinaus erneut verlängert wird.

Nun gibt es aber auch Mitarbeiter, die im Büro arbeiten und die Voraussetzungen für Homeoffice nicht vorliegen oder die eben kein Homeoffice wollen.

Können diese vom Arbeitgeber verlangen, dass dieser ihnen eine Einzelbüro zur Verfügung stellt?

Hätte ich dir diese Frage vor der Coronapandemie beantworten sollen, wäre die Antwort knapp und eindeutig ausgefallen.

Der Arbeitgeber hat gegenüber seinem Arbeitnehmer, soweit in den Arbeitsverträgen, Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen dazu nichts konkret geregelt ist, das allgemeine Weisungsrecht.

Dieses Recht ist geregelt im § 106 GewO und § 611 a BGB. Dort heißt es:

„Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. „

Dies umfasst auch den Arbeitsort. Der Arbeitgeber allein entscheidet in diesem Zusammenhang auch, ob er den Mitarbeiter in einem Einzelbüro oder Mehrpersonenbüro beschäftigt.

Der Mitarbeiter hatte also keinen Anspruch auf ein Einzelbüro.

Hat sich daran etwas durch die Covid-Verordnungen und die Corona-Arbeitsschutzverordnung etwas geändert?

Die Covid-Verordnungen greifen direkt in die Rechte und Pflichten der Parteien des Arbeitsverhältnis ein.

Was bedeutet das für unsere Frage?

Im Jurastudium heißt es an dieser Stelle immer: „Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.

Schauen wir mal in den entsprechenden Paragraphen, den § 618 BGB.

Im § 618 Absatz 1 BGB ist dazu geregelt,

„Der Dienstberechtigte (also der Arbeitgeber) hat Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften, die er zur Verrichtung der Dienste zu beschaffen hat, so einzurichten und zu unterhalten und Dienstleistungen, die unter seiner Anordnung oder seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass der Verpflichtete (also der Mitarbeiter) gegen Gefahr für Leben und Gesundheit soweit geschützt ist, als die Natur der Dienstleistung es gestattet.“

Reicht das, um die Frage mit „ja“ zu beantworten?

Den Gerichten bleibt an dieser Stelle ein Entscheidungs- und Beurteilungsspielraum.

Ein Kollege lehnte diesen Anspruch in einem Zeitungsartikel am 20.März 2021 mit dem Hinweis auf ein Urteil des Arbeitsgerichts Augsburg ab.

Das ArbG Augsburg hatte im Jahr 2020 einen solchen Fall zu entscheiden. Es ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klage des Mitarbeiters abzulehnen ist.

Der Mitarbeiter, der mit einer Kollegin zusammen in einem Büro arbeitete, legte ein ärztliches Attest vor und begehrte ein Einzelbüro oder Homeoffice.

Das Gericht begründete seine Ablehnung damit, dass sich aus dem von mir zitierten § 618 BGB ein solcher Anspruch des Mitarbeiters gegen den Arbeitgeber nicht herleiten lässt.

In den Leitsätzen zum Urteil steht dazu:

„1. Es besteht kein gesetzlicher Anspruch eines Arbeitnehmers auf Erbringung der Arbeitsleistung an einen Arbeitsplatz an seinem Wohnsitz (Homeoffice).
2. Es obliegt allein dem Arbeitgeber, wie er seinen Verpflichtungen aus § 618 BGB gerecht wird und sie ermessensgerecht durch entsprechende Ausübung seines Leistungsbestimmungsrechtes umsetzt, um das Ziel zu erreichen, den hausärztlichen Empfehlungen des Arbeitnehmers zu entsprechen.
3. Ein Anspruch des Arbeitnehmers auf ein Einzelbüro besteht nicht, es fehlt an einer gesetzlichen Regelung, welche den Anspruch stützen könnte.
4. Auch insoweit ist jedoch der Arbeitgeber verpflichtet, die notwendigen und erforderlichen Schutzmaßnahmen zu Gunsten des Arbeitnehmers auf Grund § 618 BGB zu ergreifen, umso mehr eine entsprechende hausärztliche Empfehlung vorliegt. Dies kann auch ein Büro mit mehreren Personen sein, wenn entsprechende Schutzvorkehrungen vorhanden sind.“

Das Urteil ist aus dem Mai 2020. Es kann deshalb bezweifelt werden, ob ein Jurist sich deshalb zur Beantwortung der Frage aktuell noch allein auf dieses Urteil beziehen darf.

Das Bundesministerium für Arbeit (BMAS) hat eine SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung erlassen, die am 27.01.2021 in Kraft getreten ist. Durch diese Corona-Arbeitsschutzverordnung entsteht – unabhängig von den derzeitigen gesetzgeberischen Aktivitäten zur Schaffung eines Mobile-Arbeit-Gesetzes – eine befristete generelle Pflicht, Beschäftigten im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten Homeoffice zu ermöglichen. Diese Verpflichtung war zunächst bis zum 15.03.2021 befristet und ist nun, wie ausgeführt bis zum 30.04.2021 verlängert worden.

Laut der Verordnung liegen zwingende betriebsbedingte Gründe, kein Homeoffice anzubieten, nur dann vor, wenn in den Betrieben nötige Arbeitsmittel dafür fehlen oder die vorhandene IT-Infrastruktur dafür nicht ausreicht. Sonstige organisatorische Erschwernisse reichen nicht aus. Eine Mindestbetriebsgröße, die Kleinbetriebe von der Verpflichtung, Homeoffice anzubieten, ausnimmt, enthält die Verordnung nicht.

Kann der Arbeitgeber betriebsbedingt kein Homeoffice gewähren, muss er dennoch dafür Sorge tragen, dass für den Mitarbeiter keine Gefahr für seine Gesundheit ausgeht.

Deshalb ist vom gleichen Ministerium festgelegt worden: „Müssen Räume von mehreren Personen gleichzeitig genutzt werden, müssen pro Person 10 m² zur Verfügung stehen.“

Kann der Arbeitgeber das gewährleisten, dann darf er gegenüber dem Mitarbeiter anordnen, dass er in diesem Büro die Arbeit verrichten muss. Der Mitarbeiter kann grundsätzlich keinen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber auf ein Einzelbüro durchsetzen.

Kann er die 10 m² pro Person jedoch nicht gewährleisten, was dann?

Überwiegend wird die Auffassung vertreten, dass der Arbeitgeber dann weitere Maßnahmen ergreifen muss. Das kann das Tragen eines geeigneten Mund-Nasen-Schutzes sein – der ist dann vom Arbeitgeber zu stellen – oder/und Plexiglaswände, Lüftung usw.

Aus meiner Sicht dürfte letzteres aber nur dann ein geeignetes und akzeptables Mittel sein, wenn dem Arbeitgeber nicht auch weniger einschneidende Alternativen zur Seite gestanden hätten. Hat er die Möglichkeit ein Einzelbüro zu stellen, dann sollte dies vorzugswürdig sein.

Dem kann der Arbeitgeber nur entgegentreten, wenn es gewichtige Gründe gibt, die er darlegen muss.

Das wird auch bei einer obergerichtlichen Entscheidung zu erwarten sein. Ein solche liegt aber noch nicht vor.

Diese besondere Rechtslage ergibt sich aus der Coronapandemie und den deshalb erlassenen Verordnungen. Gelten diese nicht mehr, weil die Pandemie und die Ansteckungsgefahren bewältigt sind, dann bleibt abzuwarten, ob die einfache alte Regelung wieder in Geltung kommt.

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Sandro Wulf
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Arbeitsrecht

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