Arbeitspflichtige Gefangene, die ein Jahr lang gearbeitet haben, können gemäß § 42 StVollzG verlangen, 18 Werktage unter Weiterzahlung der zuletzt gezahlten Bezüge von der Arbeitspflicht freigestellt zu werden.
Die Berechnung der Jahresfrist bei Arbeitsfehlzeiten des Gefangenen hat das Oberlandesgericht Hamm mit Beschluss vom 11.12.2014 präzisiert. Bei Arbeitsfehlzeiten habe die Strafvollzugsbehörde zunächst zu entscheiden, ob diese wie Tage der Arbeitsleistung auf die Jahresfrist anzurechnen sind, etwa bei Krankheit. Im Fall einer Nichtanrechnung habe die Strafvollzugsbehörde weiter zu entscheiden, ob die Fehltage die Jahresfrist des § 42 StVollzG verlängern (hemmen) oder neu beginnen lassen (unterbrechen). Die genannten strafvollzugsbehördlichen Entscheidungen müssten getroffen und begründet werden, damit der Freistellungsanspruch eines Gefangenen gerichtlich überprüft werden könne (Az.: 1 Vollz(Ws) 671/14, rechtskräftig)
Streit um Unterbrechung des Jahreszeitraumes
Der 1963 geborene betroffene Strafgefangene arbeitete seit Ende Juli 2013 im Eigenbetrieb «Buchbinderei» der Justizvollzugsanstalt Bochum. Bis zum 30.05.2014 hatte er 44 Fehltage, die die Justizvollzugsanstalt zunächst nicht als Fehlzeiten auf den Jahreszeitraum des § 42 StVollzG anrechnete. Nachdem am 04.06.2014 ein 45. Fehltag hinzukam, hat die Justizvollzugsanstalt die Ansicht vertreten, dass der Jahreszeitraum unterbrochen sei und neu beginne. Eine vom Gefangenen beantragte Freistellung hat sie deswegen versagt. Den Antrag des Gefangenen auf gerichtliche Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum zurückgewiesen.
Auch nicht krankheitsbedingte Fehlzeiten auf Jahresfrist anrechenbar
Die Rechtsbeschwerde des Gefangenen gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer hatte vorläufig Erfolg. Das OLG Hamm hob die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer auf und verwies die Sache zur erneuten Prüfung an die Kammer zurück. Der bislang festgestellte Sachverhalt rechtfertige keine Unterbrechung der Jahresfrist nach dem 45. Fehltag. Auch nicht krankheitsbedingte Fehlzeiten könnten auf die Jahresfrist anzurechnen sein. Hierüber habe zunächst die Strafvollzugsbehörde zu entscheiden. Bei nicht anrechenbaren Fehlzeiten habe die Strafvollzugsbehörde weiter zu entscheiden, ob die Jahresfrist lediglich um die Fehltage zu verlängern sei, durch diese also gehemmt werde. Unterbrochen werde die Jahresfrist erst dann, wenn die nicht anrechenbaren Fehlzeiten einen Umfang hätten, bei dem nicht mehr davon gesprochen werden könne, dass der Gefangene «ein Jahr» gearbeitet habe. Erst in diesem Fall beginne die Frist neu.
Jahreszusammenhang muss beurteilt werden können
Im vorliegenden Fall habe die Strafvollstreckungskammer angenommen, dass die Strafvollzugsbehörde 44 Fehltage auf die Jahresfrist angerechnet habe. Wenn dann ein weiterer Fehltag die Jahresfrist bereits unterbrechen und nicht lediglich hemmen solle, sei das erläuterungsbedürftig und auf der Basis der bislang getroffenen Feststellungen nicht nachvollziehbar. Die vorherigen 44 Fehltage rechtfertigten die Unterbrechung nicht, wenn sie als anrechenbare Fehltage gewertet worden seien. Die Strafvollstreckungskammer habe daher zu prüfen, ob die Strafvollzugsbehörde diese Fehltage tatsächlich in diesem Sinne bewertet habe. Zudem seien Zeitpunkt und Dauer der Arbeitsunterbrechungen aufzuklären, um den Jahreszusammenhang beurteilen zu können.
Zitiert aus beck-aktuell-Redaktion, Verlag C.H. Beck, 26. Februar 2015.
Sandro Wulf
Rechts- und Fachanwalt für Arbeitsrecht
In Stendal und Magdeburg