In seinem Verfahren 12 U 1668/17 hat sich das OLG Nürnberg ausführlich damit auseinandergesetzt, unter welchen Voraussetzungen im Rahmen einer Erbauseinandersetzung ein Pflichtteilsanspruch wegfallen kann.
Was war passiert?
Die Beteiligten des Rechtsstreites waren die Ehefrau des Erblassers und dessen Vater.
Der Erblasser hatte seine Ehefrau durch Testament zur Alleinerbin eingesetzt und gleichzeitig seinen Vater enterbt. Hintergrund dieser angeordneten Erbfolge war, dass der Vater seinen Sohn (den Erblasser) in der Kindheit sowohl physisch als auch psychisch schwer misshandelt haben soll. Unter anderem soll der Vater seinen Sohn mit einem Schraubenzieher in Tötungsabsicht angegriffen haben. Ferner seien auch keinerlei Unterhaltszahlungen an den Sohn überwiesen worden, als dieser bereits mit 14 Jahren das Elternhaus verlassen musste.
Die Ehefrau des Erblassers verweigerte daher die Zahlung des Pflichtteils an den von seinem Sohn enterbten Vater.
Grundsätzlich sind die Eltern eines Erblassers pflichtteilsberechtigt, wenn der Verstorbene selbst keine Abkömmlinge hatte.
Das Oberlandesgericht hatte nun im Einzelnen zu prüfen, nach welchen gesetzlichen Vorgaben ein Pflichtteilsrecht des Vaters wegfallen könnte.
Was hat das Oberlandesgericht dazu gesagt?
Zunächst ist ein Pflichtteilsanspruch dann nicht gegeben, wenn ein Pflichtteilsverzicht seitens des Berechtigten erklärt wird. Einen solchen Pflichtteilsverzicht hatte der Vater aber in dem zu entscheidenden Fall nicht abgegeben. Hierfür wäre im Übrigen auch eine notarielle Beurkundung notwendig gewesen.
Als nächste gesetzliche Regelung kommt die sogenannte Pflichtteilsentziehung nach § 2333 BGB in Betracht. Die Voraussetzungen hierfür sind allerdings sehr streng.
Nach der Vorschrift muss der Inhaber des Pflichtteilsanspruchs u.a.
- dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblassers, einem anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahestehenden Person nach dem Leben getrachtet,
- sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine der oben bezeichneten Personen schuldig gemacht oder
- die dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt
haben.
Liegt ein solcher, oben beschriebener Fall vor, muss der Erblasser durch Testament seinem Abkömmling oder dem Elternteil oder Ehegatten durch entsprechende Erklärung den Pflichtteil entziehen. Wichtig ist hier, dass zwingend eine zutreffende Begründung für die Entziehung des Pflichtteils in dem Testament angegeben werden muss.
Es reicht also damit nicht aus, dass der Grund einer Pflichtteilsentziehung gegeben ist; vielmehr muss sich der Erblasser darauf in seinem Testament berufen.
In dem Fall des OLG Nürnberg war eine solche Pflichtteilsentziehung in dem Testament des Erblassers zulasten des Vaters nicht vorhanden, sodass dessen Pflichtteilsanspruch aus diesem Grund nicht weggefallen ist.
Weiterhin hat das OLG sich damit befasst, ob eine sogenannte Pflichtteilsunwürdigkeit nach § 2145 Abs. 2 BGB angenommen werden kann.
Dies ist dann der Fall, wenn der Pflichtteilberechtigte u.a. den Erblasser vorsätzlich tötet oder zu töten versucht.
Nach der seitens der Ehefrau vorgebrachten Begründung für die Verweigerung einer Pflichtteilszahlung wäre der Verletzungsversuch mit dem Schraubenzieher in Tötungsabsicht sicherlich ausreichend gewesen, um eine Pflichtteilsunwürdigkeit annehmen zu können.
Allerdings hatte die Alleinerbin (Ehefrau) diesen Sachverhalt nicht beweisen können – der Vater hatte den Tötungsversuch in Abrede gestellt.
Letztendlich hat das Gericht auch eine Verwirkung der Pflichtteilsforderung abgelehnt.
Die gesetzlichen Vorschriften über die Pflichtteilsentziehung und der Pflichtteilsunwürdigkeit sind im Gesetz abschließend geregelt, sodass nur bei Vorliegen der dort benannten Voraussetzungen das Pflichtteilsrecht wegfällt. Liegen diese nicht vor oder gelingt es den Erben nicht, die Tatsachen ausreichend nachzuweisen, kann der Berechtigte uneingeschränkt seinen Pflichtteilsanspruch geltend machen.
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Hendrik Lippmann
Rechtsanwalt