Viele Unternehmen nutzen das Einwurf-Einschreiben, um arbeitsrechtlich relevante Schreiben – insbesondere Kündigungen – zuzustellen. Doch wann gilt ein solches Schreiben als tatsächlich zugegangen? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 30.01.2025 (Az.: 2 AZR 68/24) klargestellt: Ein Einwurf-Einschreiben allein reicht nicht aus, um den Zugang der Kündigung rechtssicher zu beweisen. Was bedeutet das für Arbeitgeber?
Die gesetzliche Grundlage: Zugang der Kündigung nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB
Der Zugang einer Willenserklärung unter Abwesenden ist rechtlich zentral – insbesondere bei Kündigungen. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB bestimmt, dass eine Erklärung wirksam wird, sobald sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist und unter normalen Umständen zur Kenntnis genommen werden kann.
Für Arbeitgeber bedeutet das: Nicht der Versand, sondern der Zugang ist entscheidend. Und dieser muss im Streitfall bewiesen werden.
Der Fall: Kündigung per Einwurf-Einschreiben und bestreiteter Zugang
Eine Mitarbeiterin hatte im Jahr 2022 erfolgreich gegen eine erste Kündigung geklagt. Nach erteilter behördlicher Zustimmung kündigte die Arbeitgeberin erneut – diesmal per Einwurf-Einschreiben am 26. Juli 2022. Laut Sendungsverfolgung wurde das Schreiben am 28. Juli 2022 zugestellt.
Doch die Arbeitnehmerin bestritt den Zugang. Einen Auslieferungsbeleg konnte der Arbeitgeber nicht vorlegen – die Frist zur Anforderung bei der Post war bereits abgelaufen. Der Arbeitgeber berief sich auf den sogenannten Anscheinsbeweis aufgrund des Sendungsverlaufs. Doch ohne Erfolg.
Urteilsgründe des BAG zum Zugang der Kündigung
Das BAG stellte klar:
- Der Zugang muss nachweisbar sein. Ein Einlieferungsbeleg und ein abrufbarer Sendungsverlauf reichen dafür nicht aus.
- Kein Anscheinsbeweis ohne Auslieferungsbeleg. Nur wenn dieser vorliegt und das standardisierte Zustellverfahren der Post eingehalten wurde, kann ein solcher Beweis angenommen werden.
- Keine Beweiserleichterung durch Sendungsstatus. Dieser sagt nichts über den tatsächlichen Einwurf in den Briefkasten, die Zustellerperson oder den konkreten Ablauf der Zustellung aus.
- Der Arbeitgeber trägt die Beweislast. Kann der Zugang nicht bewiesen werden, bleibt er beweisfällig – mit gravierenden Folgen für die Wirksamkeit der Kündigung.
Auswirkungen für Arbeitgeber bei Kündigungen per Post
Das Urteil hat weitreichende Folgen für die Praxis der Kündigungszustellung. Arbeitgeber sollten folgende Aspekte beachten:
Vorteile:
- Durchdachte Zustellstrategien erhöhen die Rechtssicherheit.
- Nachweisbare Zustellungen schützen vor teuren Folgeprozessen.
Herausforderungen:
- Einwurf-Einschreiben ohne Auslieferungsbeleg sind unsicher.
- Die Beweislast liegt beim Absender – im Zweifel ist die Kündigung unwirksam.
Praxisprobleme und Lösungsansätze bei Kündigungszustellungen
Problem: Einwurf-Einschreiben ohne konkreten Zustellnachweis
Lösung: Nutzung von Zustellmethoden mit dokumentierter Auslieferung (z. B. Boten, Gerichtsvollzieher, Einschreiben mit Rückschein in bestimmten Fällen).
Problem: Fristversäumnis bei Anforderung von Auslieferungsbelegen
Lösung: Frühzeitige Anforderung bei der Post, idealerweise sofort nach Zustellung.
Problem: Unklare Dokumentation im Unternehmen
Lösung: Klare Zustellprozesse und Schulung der zuständigen Mitarbeitenden.
Fazit: Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber zur Kündigungszustellung
Arbeitgeber sollten:
- Die eigene Zustellpraxis überprüfen und auf rechtssichere Methoden setzen.
- Im Streitfall jederzeit belegen können, wer, wann und wie das Kündigungsschreiben zugestellt hat.
- Den Einlieferungsbeleg immer mit einem Auslieferungsbeleg kombinieren.
- Im Zweifel eine rechtliche Beratung einholen, bevor Kündigungen zugestellt werden.
Merke: Nur eine nachweisbare Zustellung ist eine wirksame Zustellung. Wer sich allein auf den Sendungsstatus verlässt, riskiert die Unwirksamkeit der Kündigung.
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