Was kurios klingt, ist juristisch hochbrisant: Ein schlafender Richter stellt einen erheblichen Verfahrensmangel dar. Denn wer schläft, kann an der Urteilsfindung nicht teilnehmen – und das kann zur Aufhebung des gesamten Verfahrens führen.
Schlafender Richter als Revisionsgrund: Wann wird das Gericht unbesetzt?
In mehreren Entscheidungen deutscher Höchstgerichte wurde festgestellt: Ein Richter, der während der mündlichen Verhandlung einschläft, ist geistig abwesend – damit ist das Gericht nicht ordnungsgemäß besetzt. Die Folge: Das Urteil ist angreifbar, in der Regel sogar aufzuheben.
BSG: Schlafender Richter verletzt Mitwirkungspflicht
Bundessozialgericht, Beschluss vom 12.04.2017 – B 13 R 289/16 B
Ein ehrenamtlicher Richter erschien zu spät zur Verhandlung, schlief wiederholt ein, der Kopf sank auf die Brust. Selbst wiederholte Fußtritte der Kollegen halfen nicht dauerhaft. Erst nach ca. 30 Minuten war er wieder ansprechbar.
Seine Erklärung: Er habe dennoch der Verhandlung folgen können. Das BSG sah das anders: Ein derart abwesender Richter kann nicht an der Entscheidungsfindung teilhaben. Das Urteil wurde aufgehoben.
BGH: Urteil ungültig – schlafender Richter in der Strafverhandlung
BGH, Beschluss vom 14.10.2020 – 1 StR 616/19 (LG Kassel)
Ein Schöffe hatte während der Verlesung der Anklage die Augen geschlossen, reagierte nicht, zeigte Desorientierung beim Aufwachen. Obwohl der Vorsitzende beteuerte, der Schöffe sei wach gewesen, wurde das Urteil aufgehoben.
Begründung: Bei einem wesentlichen Teil der Hauptverhandlung war das Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt – ein absoluter Revisionsgrund.
Wann ist „Schlaf“ ein Verfahrensfehler?
Nicht jedes Augenschließen ist gleich ein Grund zur Urteilsaufhebung. Die Gerichte differenzieren sorgfältig.
Unproblematisch:
- Müde wirkende Richter
- Geschlossene Augen zur Konzentration
- Kurzzeitiges „Abschalten“ ohne weitere Auffälligkeit
Problematisch (Verfahrensmangel):
- Hörbares Schnarchen
- Gleichmäßiges, tiefes Atmen
- Kopf auf der Brust über längere Zeit
- Keine Reaktion auf Ansprache
- Desorientierung beim Aufwachen
Laut Bundessozialgericht gilt: Erst wenn solche klaren Merkmale hinzutreten, kann von tatsächlichem Schlaf gesprochen werden – mit gravierenden rechtlichen Folgen.
Fazit: Ein schlafender Richter ist ein erheblicher Verfahrensverstoß
Ein Richter, der während der mündlichen Verhandlung schläft, verletzt seine Mitwirkungspflicht. Das Gericht ist in diesem Moment nicht korrekt besetzt. Das kann das Urteil in seiner Gesamtheit unwirksam machen – selbst bei bereits erfolgter Urteilsverkündung.
Prozessbeteiligte sollten aufmerksam sein und reagieren, wenn:
- ein Richter sichtbar einschläft
- keine Reaktion auf wichtige Verfahrenssituationen erfolgt
- objektive Hinweise auf geistige Abwesenheit vorliegen
In solchen Fällen kann ein Rechtsmittelverfahren (Berufung oder Revision) sinnvoll sein.
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