Skiunfälle betreffen, insbesondere in den Alpenländern, ca. ein Drittel aller Sportunfälle. Nicht selten enden diese tödlich; jedenfalls aber regelmäßig mit erheblichen Verletzungen. Zumeist handelt es sich um selbstverschuldete Einzelstürze. Laut Statistik sind von den Sport treibenden Personengruppen besonders gefährdet junge und unerfahrene Pistenbenutzer, untrainierte Personen und Personen ab dem 45. Lebensjahr. Besonders aktuell ist dieses Thema, weil eben dieses 45. Lebensjahr der pistenerfahrene und zweifelsohne bestens trainierte Formel-1-Rekordweltmeister Michael Schumacher am 03.01.2014 vollendete, der eben wenige Tage zuvor bei einem Skiunfall lebensgefährlich verunglückt war.
Nun beschäftigt dies laut örtlichen Medien auch die zuständige Staatsanwaltschaft. Den Unfallhergang aufzuklären dürfte juristisch aber auch aus Sicht der Versicherungen interessant werden. Thematisiert wird in dieser, für den verunglückten Schumacher, seine Familie, Freunde und Fans, schweren Zeit, gerade die Frage einer etwaigen Mitschuld des Ex-Rennfahrers. Nach den veröffentlichten Informationen habe Schumacher sich z.Z. des Sturzes zwischen zwei präparierten Pisten befunden. Die Stelle nutzen viele Skifahrer gern, um von der einen zur anderen Abfahrt zu wechseln. Jedoch soll wegen Neuschnee in der Nacht an der Unfallstelle eine dünne Schneedecke Felsgestein und Äste bedeckt haben. Schumacher, der die Gegend gut kenne, sei mit „langsamer Geschwindigkeit“ nach einer Wende gestürzt sein, weil er durch einen Felsen aus dem Gleichgewicht gebracht worden sei.
Kann seine Entscheidung, die angesichts der Umstände gewisse Gefahren beinhaltete, zu einer Mitschuld seinerseits führen? Ebenso kann nach vielen Beispielen in der Rechtsprechung eine Mitschuld des Skiverkäufers und Herstellers erwogen werden, wenn sich bei den Untersuchungen Fabrikationsfehler im Material, z.B. defekter Bindung herausstellen. Auch der Pistenbetreiber sucht sicher, die Verantwortung von sich zu weisen. Was aber ist mit den immensen Kosten der medizinischen Behandlung, den Operationen und etwaiger Rehabilitationsmaßnahmen usw.? Wer kommt für die Kosten der Bergung auf?
Mag diese Frage im Fall von Michael Schumacher angesichts dessen zu vermutenden gesicherten finanziellen Backgrounds zweitrangig sein. Für den durchschnittlichen Skifahrer, der einen Skiunfall erleidet, sind dies aber ernsthafte Fragen, die im Fall einer festgestellten Mitverantwortung von immenser Bedeutung sei können. Versicherungen, z.B. private Krankenversicherung und Unfallversicherung, haben durchaus ein Interesse an der Feststellung, dass bei einem Skiunfall eine (Mit-)Schuld des Skifahrers besteht. Denn ein Versicherer ist unter bestimmten Umständen ganz oder teilweise von der Leistung frei. Für den betroffenen Versicherungsnehmer kann dies nicht lediglich enttäuschen, sondern in einer Vielzahl von Fällen existenziell bedrohlich sein.
Von besonderer Bedeutung für den Umfang der Leistungsverpflichtung des Versicherers ist die Unterscheidung zwischen einfacher und grober Fahrlässigkeit. Denn nach der seit dem Jahr 2008 geltenden Vorschrift des § 81 Abs. 2 VVG, welche die vollständige Leistungsfreiheit des Versicherers, also das frühere „Alles-oder-Nichts-Prinzip“, nach dem VVG a.F. abgelöst hat, ist die Versicherung bei grob fahrlässiger Verursachung des Unfalls (Versicherungsfalles) berechtigt, die (Versicherungs-)Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Bei Vorsatz bleibt die Versicherung leistungsfrei und bei einfacher Fahrlässigkeit voll zur Leistung verpflichtet. Grob fahrlässig i.S.d. § 81 Abs.2 VVG handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in hohem Maße außer Acht lässt und nicht beachtet, was unter den gegebenen Umständen des konkreten Einzelfalls jedem einleuchten müsste. Die vorgesehene Quotierung führt in Ausnahmen sogar dazu, dass der Versicherer die Leistung vollständig versagen kann. Ein Beispiel hierfür ist die absolute Fahruntüchtigkeit des Versicherten. Das für Sachsen-Anhalt zuständige OLG Naumburg (Urteil vom 28.3.2011) sah die Voraussetzungen einer ausnahmsweisen Leistungskürzung auf Null als erfüllt an, weil ein Versicherungsnehmer einen Brand grob fahrlässig verursachte, als er im Erdgeschoss seines Hauses Feuerwerkskörper zündete und sie zum Vertreiben einer Katze in den Kellerraum warf, obwohl ihm bekannt war, dass dort leicht brennbare Gegenstände lagerten. Es ist auch grob fahrlässig, während eines Gesprächs am Flughafenschalter den Wagen, auf dem sich das Reisegepäck, unter anderem eine Kameratasche mit wertvollem Inhalt, befindet, nicht ständig im Blick zu haben. Grobe Fahrlässigkeit bei der Herbeiführung des Versicherungsfalles liegt auch dann vor, wenn der Versicherungsnehmer den Vorgang des Erhitzens von Fett in einem Topf auf dem Cerankochfeld seiner Herdplatte unbeaufsichtigt lässt, um nach Verlassen der Wohnung und des Hauses anderen Verrichtungen nachzugehen. Weitere Beispiele sind ein Ausweichmanöver auf der Landstraße vor einem Hasen, das Kümmern um ein schreiendes Kind auf der Rückbank im Auto und natürlich das Überfahren einer roten Ampel bzw. eines Stoppschildes.
Angesichts dieser Beispiele wird offenbar, dass eine Leistungsfreiheit zumindest teilweise unter den oben geschilderten Umständen des Skiunfalls von Michael Schumacher durchaus naheliegt. Ob dieser Fall die Gerichte beschäftigen wird, bleibt abzuwarten und dürfte dann vielleicht auch allgemein bekannt werden. Fest steht, dass bei der Entscheidung zwischen leichter und grober Fahrlässigkeit eine umfassende Bewertung aller Umstände des Einzelfalles erfolgen muss und die Versicherung die Darlegungs- und Beweislast trifft.
Entscheidend im Moment bleibt, Michael Schumacher und auch allen anderen Opfern von Skiunfällen die Daumen zu drücken, dass sie schnellstmöglich genesen.
Für die Rechtsanwaltskanzlei Wulf & Collegen
Rechtsanwalt Jan Steinmetz
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht