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Ein Mitarbeiter ist krank – aber nicht komplett. Er fühlt sich grundsätzlich arbeitsfähig und möchte vielleicht sogar einen Teil seiner Aufgaben übernehmen. Doch wie sieht die rechtliche Lage dazu in Deutschland aus? Gibt es eine Möglichkeit zur Teilkrankschreibung? Und wie können Arbeitgeber damit umgehen?

Aktuelle Rechtslage: Alles oder nichts

Im deutschen Arbeitsrecht gilt bislang die sogenannte „Alles-oder-nichts“-Regel. Das bedeutet: Ein Arbeitnehmer ist entweder voll arbeitsfähig oder voll arbeitsunfähig – eine offizielle Zwischenlösung gibt es derzeit nicht.

Auch das Bundesarbeitsgericht hat diese Linie mehrfach bestätigt. Die sogenannte Teil-Arbeitsunfähigkeit, also eine abgestufte Krankschreibung mit reduziertem Arbeitspensum, wurde juristisch bisher abgelehnt. Grund dafür sei der Wunsch nach klaren Verhältnissen für alle Beteiligten.

Die Rolle der Ärztinnen und Ärzte

Ärztinnen und Ärzte dürfen keine Teilkrankschreibung ausstellen – selbst dann nicht, wenn ein Patient körperlich oder geistig nur eingeschränkt leistungsfähig ist. Grundlage hierfür ist die AU-Richtlinie (Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie) des Gemeinsamen Bundesausschusses.

Nach § 2 Abs. 5 dieser Richtlinie muss der Arzt eine Prognose zur Arbeitsunfähigkeit treffen – bezogen auf die konkrete Tätigkeit des Patienten. Entscheidend ist also, ob die gesundheitlichen Einschränkungen die beruflichen Aufgaben vollständig unmöglich machen oder nicht.

Ein Beispiel: Eine Pflegekraft mit Rückenproblemen ist womöglich arbeitsunfähig, weil sie nicht heben darf. Eine Beschäftigte im Büro mit derselben Diagnose könnte aber weiterarbeiten. Dennoch darf der Arzt keine anteilige Arbeitsunfähigkeit bescheinigen, sondern nur: Ja oder Nein.

Reformbedarf? Diskussionen um mehr Flexibilität

Immer häufiger wird in Politik und Fachwelt diskutiert, ob diese starre Regelung noch zeitgemäß ist. Internationale Modelle, etwa aus Skandinavien, zeigen, dass auch andere Wege möglich sind: Dort können Beschäftigte zu 50 oder 75 Prozent krankgeschrieben werden und entsprechend anteilig arbeiten – mit positiven Effekten für Arbeitgeber und Gesundheitssysteme.

Die Vorteile einer solchen Regelung wären:

  • Sanfter Wiedereinstieg nach längerer Krankheit
  • Vermeidung von Langzeitausfällen
  • Flexiblere Gestaltung von Arbeitszeit und Belastung
  • Entlastung der Krankenkassen

Kritische Stimmen befürchten hingegen, dass sich Beschäftigte unter Druck gesetzt fühlen könnten, trotz Krankheit zu arbeiten. Arbeitsrechtler wie Sandro Wölfel halten dieses Argument für nicht überzeugend: Schon heute ist es möglich, dass ein arbeitsunfähiger Mitarbeiter freiwillig zur Arbeit erscheint – ohne dass dies eine rechtliche Grundlage für Teilzeitarbeit schafft.

Praxis: Was Arbeitgeber trotzdem tun können

Solange es keine gesetzliche Grundlage für eine Teilkrankschreibung gibt, bleibt die „Alles-oder-nichts“-Regel verbindlich. Arbeitgeber können Beschäftigte mit Krankschreibung nicht verpflichten, anteilig zu arbeiten – selbst wenn sich der Arbeitnehmer grundsätzlich einsatzfähig fühlt.

Dennoch gibt es Gestaltungsspielräume:
Im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) oder durch gegenseitige Rücksichtnahmepflichten nach § 241 Abs. 2 BGB lassen sich individuelle Lösungen finden. Dazu gehört beispielsweise:

  • Eine stufenweise Wiedereingliederung
  • Eine vorübergehende Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder der Tätigkeit
  • Gespräche über Einsatzmöglichkeiten im Rahmen des Zumutbaren

Voraussetzung dafür ist immer die Freiwilligkeit des Mitarbeiters. Ohne sein Einverständnis geht nichts – auch dann nicht, wenn der Arbeitgeber im Arbeitsvertrag andere Vorstellungen verankert hat.

Fazit: Teilkrankschreibung existiert (noch) nicht – aber es gibt Lösungen

Aktuell kennt das deutsche Arbeitsrecht keine Teilkrankschreibung. Arbeitnehmer sind entweder arbeitsfähig oder arbeitsunfähig. Doch die Debatte um eine Reform ist in vollem Gange – und der Druck steigt, flexiblere Modelle zu schaffen.

Bis dahin gilt für Arbeitgeber: Gespräche führen, rechtssichere Rahmen schaffen und gemeinsam mit dem Mitarbeiter nach Wegen suchen. Wer rechtzeitig handelt, Missverständnisse vermeidet und gute Kommunikation fördert, findet oft auch ohne Gesetzesänderung tragfähige Lösungen.

https://youtu.be/b1Fm_Sr-c3I?si=ht6FtVgZf7T3soKY

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