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Der Tod eines Angehörigen kann einen Fall des 616 auslösen. Was wie ein versteckter Code klingt, ist oft ein Joker für den Arbeitnehmer.

Wann und für welche Fälle der Mitarbeiter, ohne arbeiten zu müssen, Lohn bekommen könnte und worauf die Parteien des Arbeitsverhältnisses dabei achten müssen, erkläre ich in folgendem Beitrag und in dieser Podcatfolge:

 

Wer einen lieben Menschen verloren hat, wird die eigene Erfahrung gemacht haben, dass es schwer bis unmöglich ist, seine Arbeitsleistung in solchen Fällen einzubringen. Sofern der Arzt nicht die Arbeitsunfähigkeit attestiert, müsste der Mitarbeiter dennoch seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber anbieten. Kann er keinen Urlaub nehmen, muss er, um Lohn zu bekommen, arbeiten.

Davon sieht das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahme vor. Dies ist der § 616 BGB. In diesem steht geschrieben:

§ 616 Vorübergehende Verhinderung

Der zur Dienstleistung Verpflichtete wird des Anspruchs auf die Vergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Er muss sich jedoch den Betrag anrechnen lassen, welcher ihm für die Zeit der Verhinderung aus einer auf Grund gesetzlicher Verpflichtung bestehenden Kranken- oder Unfallversicherung zukommt.“

Übersetzt bedeutet dies:

Der Mitarbeiter bekommt auch dann Geld vom Arbeitgeber, wenn er für eine nicht erhebliche Zeit durch einen Grund in seiner Person, den er nicht verschuldet hat, nicht seine Arbeitskraft einbringen kann.

Das gilt für alle Dienstnehmer, vom Arbeitnehmer, Auszubildenden bis zum freien Mitarbeiter oder arbeitnehmerähnlichen Person, wenn er aus persönlichen Gründen verhindert ist.

Was ist darunter zu verstehen?

Fallen darunter auch die Fälle, die Gegenstand des letzten Beitrags zur Großdemonstration waren? Diese habe ich mit dem Tipp beendet, mal nachzuschauen, ob sie in ihrem Arbeitsvertrag eine Regelung finden, indem der § 616 BGB benannt wurde.

Welche Gründe berechtigen in diesem Zusammenhang zur Lohnforderung ohne Arbeitsleistung?

Die Hinderungsgründe müssen in der Person des Betroffenen bestehen. Gemeint ist die persönliche Sphäre, nicht persönliche Eigenschaften.

Ledigl. subj., das heißt persönliche Leistungshindernisse können den gesetzlichen Tatbestand erfüllen. Das können besondere familiäre Ereignisse sein, bei denen es als unverzichtbar gilt, anwesend zu sein. Das wäre zum Beispiel:

  • die eigene Hochzeit (BAG 4.1983, AP BGB § 616 Nr. 61; 17.10.1985, AP BAT § 18 Nr. 1),
  • die Eintragung einer Lebenspartnerschaft nach dem LPartG (Linck BB 2008, 2738(2741)),
  • die Hochzeit der Kinder und die Wiederverheiratung eines Elternteils (Staudinger/Oetker Rn. 68),
  • die goldene Hochzeit der Eltern (BAG 10.1973, AP BGB § 616 Nr. 43),
  • die Niederkunft der Ehefrau und der in häuslichen Gemeinschaft lebenden Partnerin,
  • religiöse Feste wie Erstkommunion und Konfirmation,
  • Begräbnisse im engen Familienkreis (Eltern, Kinder und Geschwister) oder von im Haushalt lebenden Angehörigen.

Aber auch persönliche Unglücksfälle wie Einbruch, Brand, unverschuldete Verkehrsunfälle und zu Unrecht erlittene Untersuchungshaft als auch ehrenamtliche dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten können darunter fallen. Die Aufzählung ist nicht abschließend.

So sind auch Termine bei Behörden oder Gerichten unter diesen Tatbestand zu fassen, wenn sie persönliche Leistungshindernisse begründen und nicht selbst verschuldet sind.

Bestehen dagegen objektive also für eine Vielzahl von Personen, Leistungshindernisse, die nicht aus der individuellen Lebenssituation resultieren, kommt § 616 nicht zur Anwendung. Das heißt nicht zur Anwendung kommt der § 616 bei Hindernissen auf dem Weg zur Arbeit wie Schneeverwehungen (BAG 8.9.1982, AP BGB § 616 Nr. 59), Glatteis (BAG 8.12.1982, AP BGB § 616 Nr. 58), Hochwasser und allgemeinen Verkehrsstörungen auf Grund einer Aschewolke nach einem Vulkanausbruch (Ehmann NJW 1987, 401), beim Hochwasser, wegen eines Smogalarms oder einer Großdemonstration.

Übrigens: Die Quarantäne nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) bei Corona fiel und fällt nicht darunter.

Krankheit des Verpflichteten ist ein persönlicher Hinderungsgrund und stellte früher den Hauptanwendungsfall der Norm dar. Mit der Verabschiedung des EFZG als SpezialG für die krankheitsbedingte AU der Arbeitnehmer kommt die Krankheit als persönlicher Hinderungsgrund nur noch bei Dienstnehmern in Betracht, die keine Arbeitnehmer sind, z.B. die freien Mitarbeiter (ErfK/Preis/Greiner, 24. Aufl. 2024, BGB § 616 Rn. 7).

Jedoch kommt dem weiteren vom Gesetz genannten Tatbestandsmerkmal Bedeutung zu, der „verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit„.

Was ist unter „nicht erhebliche Zeit“ zu verstehen?

Dies ist wichtig, weil dauert die Verhinderung länger an, so entfällt ein Anspruch vollständig.

Der unbestimmte Rechtsbegriff erlaubt grundsätzlich keine Festlegung auf eine feste Anzahl von Tagen; deshalb sind die Umstände des Einzelfalls nach den Verhältnissen im Bereich des Dienstnehmers maßgeblich zu berücksichtigen.

Bei Erkrankung von Dienstverpflichteten dürfte sich der Zeitraum des EFZG von 6 Wochen als Maßstab anbieten. Bei der Pflege von Kleinkindern gelten keine abweichenden Regeln. Denn sie sind (besonders) nahe Angehörige, deren pflegerische Versorgung sichergestellt werden muss.

Genau an dieser Stelle sollten die meisten Leser, die in ihren Arbeitsvertrag geschaut haben, ein erkennendes Stirnrunzeln haben.

In den überwiegenden Arbeitsverträgen haben die Arbeitgeber eine Klausel aufgenommen, dass in den Fällen der Erkrankung des Kindes oder/und grundsätzlich der §616 BGB abbedungen ist.

Das heißt nichts anderes als, dass der Arbeitgeber die für den Mitarbeiter positiven Regelungen des § 616 BGB nicht zur Anwendung kommen lässt und ausschließt. Damit wirkt sich das Risiko, welches sich im Lebensbereich des Mitarbeiters realisiert, nicht beim Arbeitgeber bzw. Dienstgeber aus.

Ist der Ausschluss dieser gesetzlichen Regelung durch arbeitsvertragliche Klauseln möglich?

Die Bestimmungen des § 616 sind abdingbar, wie aus § 619 zu schließen ist. Das ist der Grund, wieso sich in den Arbeitsverträgen Regelungen finden, wann der Arbeitgeber unter Fortzahlung der Vergütung bestimmte Zeiträume freistellt, wie eben beim Tod naher Angehöriger.

Was sagt dein Arbeitsvertrag?

Hat er eine solche Regelung oder nicht?

Je nachdem ob du Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Vertreter einer dieser Gruppen bist, prüfe deine Verträge und die Konsequenzen, die sich daraus ergeben. Diese können weitreichend sein.

Der Regelungspunkt des § 616 ist einer der wichtigen Punkte, auf die die Parteien des Arbeitsverhältnisses bei den Verhandlungen um den Arbeitsvertrag achten sollten.

Auf welche Punkte du beim Verhandeln um den Arbeitsvertrag noch achten solltest, geht es in der nächsten Podcastfolge und im nächsten Beitrag.

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