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In dieser Podcast-Episode vertiefen wir uns in ein Urteil, das nicht nur für Juristen von Interesse ist, sondern auch für jeden Arbeitgeber und Arbeitnehmer, denn es betrifft die zentrale Frage:

Wann geht eine Kündigung rechtlich wirksam beim Arbeitnehmer zu? 

Das Bundesarbeitsgericht hat ein wegweisendes Urteil gefällt, welches die Alltagsrealität des modernen Arbeitnehmers in den Mittelpunkt stellt. Das mag Arbeitgebern nicht gefallen.

Der Kern dieser Entscheidung dreht sich um den Zeitpunkt, zu dem eine Kündigung als „zugegangen“ gilt. Das Gericht hat festgestellt, dass der Zugang nicht im juristischen Vakuum stattfindet, sondern im Kontext des täglichen Lebens berücksichtigt werden muss. 

Das Urteil bringt Licht in die oft missverstandene Dynamik der Zustellung. Es geht darum, den exakten Moment zu bestimmen, in dem ein Kündigungsschreiben die Sphäre des Arbeitgebers verlässt und in die des Arbeitnehmers eintritt. Das Gericht machte deutlich, dass der Zugang einer Kündigung nicht an dem Tag erfolgt, an dem das Schreiben in den Briefkasten gelegt wird, sondern erst dann, wenn der Arbeitnehmer unter normalen Umständen die Möglichkeit hat, die Kündigung zur Kenntnis zu nehmen.

Diese Entscheidung hat weitreichende Folgen. Sie schützt den Arbeitnehmer vor der unwissentlichen Verkürzung seiner Kündigungsfrist, indem sie anerkennt, dass die meisten Menschen ihre Post erst nach der Rückkehr von der Arbeit sichten. Hiermit wird die rechtliche Annahme in Einklang mit der Lebenswirklichkeit gebracht und die Bedeutung der Fristwahrung gestärkt.

Die Zustellung der Kündigung spielt eine Rolle für die Dauer der Kündigungsfrist, der Einhaltung einer Zwei-Wochen-Frist bei einer fristlosen Kündigung und ob die Kündigungsschutzklage rechtzeitig, binnen der gesetzlichen Drei-Wochen-Frist, eingereicht wurde. Nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist hat eine Kündigungsschutzklage selten Aussicht auf Erfolg und wird überwiegend als unzulässig abgewiesen.

Die Zustellung der Kündigung birgt immer dann Risiken, wenn die Kündigung nicht nachweislich persönlich oder mit einer Zustellungsurkunde erfolgt.

Streitig wurde in diesem konkreten Fall der Zugang der Kündigung durch Einwurf in den Briefkasten des Mitarbeiters.

Beginnen wir mit einem fundamentalen Aspekt des Urteils:

Die Zustellung einer Kündigung hängt maßgeblich davon ab, wann der Briefkasten des Arbeitnehmers üblicherweise geleert wird.

Dies führt uns zu einer zentralen Unterscheidung, die das Gericht klarstellt:

Es kommt nicht auf die individuellen Gewohnheiten des betroffenen Arbeitnehmers an, sondern darauf, zu welcher Uhrzeit ein Durchschnittsbürger in der Regel seinen Briefkasten leert.

In einem wegweisenden Schritt lehnte das BAG eine bundeseinheitliche Betrachtungsweise ab, die vom Bundesgerichtshof (BGH) vorgeschlagen wurde. Stattdessen betonte das BAG die Bedeutung lokaler Gepflogenheiten bei der Postzustellung. Dieser Ansatz mag zu Unsicherheiten führen, da die Zustellungszeiten lokal variieren können. So kam es in einem Fall vor, dass ein Kündigungsschreiben, welches nachmittags eingeworfen wurde, erst am folgenden Tag als zugegangen galt, weil die Postzustellung am Wohnort des Arbeitnehmers normalerweise gegen 11:00 Uhr morgens beendet ist.

Die Komplexität wird weiter gesteigert, wenn wir die Ansichten des Landesarbeitsgerichts (LAG) betrachten, welches ursprünglich zuständig war. Das LAG vertrat die Meinung, dass der Zeitpunkt der üblichen Postzustellung irrelevant sei, da ein durchschnittlicher Arbeitnehmer zu diesen Zeiten wahrscheinlich nicht zu Hause wäre. Diese Perspektive wurde vom BAG jedoch nicht geteilt, da es die Vielfalt der Arbeitszeiten und -verhältnisse in Deutschland berücksichtigte.

Besonders interessant wird es, wenn der Arbeitnehmer im französischen Grenzgebiet lebt, was der Fall in diesem speziellen Rechtsstreit war. Hier musste das Gericht auch internationale und grenzüberschreitende Faktoren in Betracht ziehen. Da das BAG jedoch keine Tatsacheninstanz ist, wurde der Fall zur weiteren Prüfung an das LAG zurückverwiesen, um zu bestimmen, wann ein durchschnittlicher Bürger im grenznahen Bereich seinen Briefkasten leert.

Abschließend ziehen wir aus dieser verwirrenden Entscheidung einen klaren Praxistipp für Arbeitgeber:

Grundsätzlich sollte man Zustellungen so rechtzeitig bewirken, dass sie am Vortag des Fristablaufs beim Arbeitnehmer eingehen. Dann ist es gleichgültig, wann der Arbeitnehmer individuell seinen Briefkasten leert, ob er an diesem Tag arbeitet oder vielleicht eine Zustellung am Samstag oder einem arbeitsfreien Tag erfolgt, ob die überwiegende Bevölkerung in der Gegend arbeitet oder nicht arbeitet und wann die Zustellung durch den Briefträger normalerweise vormittags endet.

Gelingt dies nicht, muss unbedingt versucht werden, ein Schreiben nicht nur in den Briefkasten einzuwerfen, sondern dem Arbeitnehmer persönlich zuzustellen. Hierzu kann man an der Tür klingeln und das Schreiben übergeben, was natürlich voraussetzt, dass der Arbeitnehmer zu Hause ist und auch öffnet. Dann kann beispielsweise auch eine Zustellung fünf Minuten vor Mitternacht erfolgen, selbst wenn man den Mitarbeiter nur im Schlafanzug antrifft.

Nicht vergessen werden sollte bei der Zustellung, dass der Bote das fristgebundene Schreiben auch selbst sieht und einkuvertiert, sodass er später als Zeuge bestätigen kann, was er zugestellt hat. Kann er dabei nur sagen, dass er einen weißen Umschlag unbekannten Inhalts übergeben hat, kann die Zustellung wiederum scheitern, wenn der Arbeitnehmer behauptet, der Umschlag habe etwas ganz anderes als das Kündigungsschreiben enthalten. Diese Fälle gibt es in der Praxis gar nicht so selten und es soll auch schon vorgekommen sein, dass Briefkästen abmontiert oder Namensschilder am Briefkasten im Mehrfamilienhaus ausgetauscht wurden, um eine rechtzeitige Zustellung zu vereiteln.

Auch bei noch so guten Kündigungsgründen lauern im Bereich der Zustellung erhebliche Gefahren!

Hilfe im Kündigungsmanagement als auch bei Kündigungsschutzklagen bekommst du durch unser Team Arbeitsrecht. Hier stehen dir 2 Fachanwälte für Arbeitsrecht, 2 Rechtsanwälte mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht und 3 weitere juristische Mitarbeiter als Ansprechpartner zur Seite.

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