Die Anfragen zur Differenzierung bei der Gewährung der Inflationsausgleichsklausel häufen sich in der Praxis. Die Arbeitgeber wollen in der anspruchsvollen wirtschaftlichen Situation die guten Mitarbeiter mit der Zahlung der Inflationsausgleichsprämie belohnen und halten. Zugleich sollen die sogenannten „Low Performer“ oder „C-Mitarbeiter“ motiviert oder schlechtestenfalls sogar abgestraft werden, indem sie weniger oder keine Prämie erhalten. Immerhin geht es dabei um Nettozahlungen je Mitarbeiter bis zu 3.000 Euro. Ob eine solche Differenzierung möglich ist und welches Minenfeld der Gesetzgeber mit der Regelung zur Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie gelegt hat, darum geht es in diesem Beitrag und der dazugehörigen Podcastfolge.
Wir haben die Inflationsausgleichsprämie bereits im Dezember letzten Jahres thematisiert. Wir haben diskutiert welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und was der Arbeitgeber beachten muss. Zum damaligen Zeitpunkt war die gesetzliche Regelung wenige Wochen alt. Rechtsprechung gab es zu der Regelung selbstredend noch nicht. Mittlerweile gibt es einige wenige Entscheidungen, aber viele Fragen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind offen. Die Zahlung der Sonderprämie kann nur noch bis zum 31.12.2024 erfolgen. Danach ist der Vorteil der Brutto-gleich-Netto-Zahlung der 3.000 € weg. Um die Fragen um die Inflationsausgleichsregelung beantworten, das Gesetz auslegen zu können, muss der Hintergrund der gesetzlichen Regelung bekannt sein. Diese Regelung hatte steuerliche Hintergrunde und politische Bestrebungen der Vermeidung einer Lohn-Preis-Spirale. Deshalb finden sich Voraussetzungen im §´3 Nr. 11 EStG. Diese dort geregelten Voraussetzungen muss der Arbeitgeber beachten und umsetzen. Dabei gibt es verschiedene arbeitsrechtliche Möglichkeiten und es sind Compliance-Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Im Rahmen der Umsetzung stellen sich vielmehr zahlreiche Fragen, die noch völlig ungeklärt sind. Grund hierfür ist, dass der Gesetzgeber bzw. die den Gesetzestext vorbereitenden Fachressorts die sich wechselseitig stellenden und damit komplexen steuer- und arbeitsrechtlichen Fragen und Probleme nicht abgestimmt haben. Vor allem geht es um die Reichweite der Ausgestaltungsfreiheit des Arbeitgebers. Bei der Vielzahl dieser Fragen beantworten wir hier eine der am häufigsten gestellten Fragen, nämlich ob eine Ungleichbehandlung der Mitarbeiter bei der Zahlung der Prämie berechtigt sein kann.
Kann die Zahlung der Prämie an die Betriebstreue oder Leistungsaspekte gebunden werden?
Vorweggenommen, würden Fehler bei der Zahlung der Inflationsausgleichsprämie die steuerlichen Privilegierungen zum Nachteil des Arbeitgebers entfallen lassen und zugleich weitergehende Zahlungsverpflichtungen auch an andere Mitarbeiter auslösen können. Es wird recht schnell deutlich, dass jeder Arbeitgeber, der von der Möglichkeit der Zahlung die IAP Gebrauch macht, um diese Fragen und Antworten Kenntnis haben sollte. Wie groß die Unsicherheit bei den Arbeitgebern ist, belegen die Vielzahl von Anfragen an unser Team Arbeitsrecht.
Welcher Mitarbeiter ist berechtigt und muss bei der Gleichbehandlung einbezogen werden?
Bezüglich des Arbeitnehmerbegriffs ist der im Vergleich zu § 611a BGB weitere steuerrechtliche Arbeitnehmerbegriff iSd § 19 EStG, § 1 1 1 LStDV zugrunde zu legen. Damit zählen zum prinzipiell begünstigungsfähigen Personenkreis auch Auszubildende sowie Arbeitslohn beziehende (Gesellschafter)- Geschäftsführer. Da es zudem allein auf die Arbeitnehmereigenschaft, hingegen nicht auf eine unbeschränkte Steuerpflicht des Begünstigten ankommt, fallen auch geringfügig entlohnte Mitarbeiter (§ 40 a II EStG) oder kurzfristig beschäftigte Mitarbeiter (§ 40 a I EStG), die einer lediglich pauschalen Besteuerung unterliegen, darunter. Arbeitnehmer in Kurzarbeit, im Krankengeldbezug, in Mutterschutz, Elternzeit oder in einem Sabbatical sind ebenfalls begünstigungsfähig, da es allein auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses ankommt, nicht aber auf eine Entgelt- bzw. Entgeltfortzahlung. Die IAP soll nach der Intention des Gesetzgebers eine zusätzliche privilegierte Zahlung an den Arbeitnehmer darstellen. Die Arbeitgeber haben in einer Vielzahl von Fällen versucht bereits bestehende Verpflichtungen auf Sonderzahlungen mit der IAP zu kombinieren, um die Abgabenlast zu minimieren. Diesen Rechtsgedanken wurde überwiegend eine Absage erteilt. Die Regelung wurde restriktiv ausgelegt. Im Lichte des Sozialzwecks könnte man nun das Kausalitätserfordernis streng im Sinne einer Monokausalität auslegen: Der Arbeitgeber müsste bei einem solchen Verständnis der Norm die Inflationsausgleichs-Sonderzahlung als im öffentlichen Interesse stehende Sozialleistung bedingungslos an sämtliche Arbeitnehmer auszahlen, um die Privilegierung zu erhalten. Nach dieser strengen Lesart wären z. B. steuerschädlich: Gestaffelte Höhen je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit bzw. dem Arbeitszeitvolumen (also Teilzeit/Vollzeit), die Festlegung von Vorbeschäftigungszeiten als Anspruchsvoraussetzung, Stichtagsregelungen, wonach die Zahlung nur solche Arbeitnehmer erhalten, die zu dem Auszahlungszeitpunkt in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen, Rückzahlungsregelungen mit an sich angemessenen Bindungsfristen, aber auch die Herausnahme bestimmter Arbeitnehmergruppen, wie beispielsweise Arbeitnehmer in Elternzeit oder Aushilfen, um nur einige Beispiele zu nennen. De facto würde man dem Arbeitgeber abgesehen von dem Ob, der generellen Höhe sowie dem Auszahlungsmodus (einmalig oder in Tranchen) damit jeglichen Gestaltungsspielraum bei der Gewährung einer Inflationsausgleichsprämie verwehren. Auf den ersten Blick scheint diese Auslegung bestechend, schließlich sehen sich alle Arbeitnehmer mit einem Kaufkraftverlust durch gestiegene Verbraucherpreise konfrontiert. Dennoch kann eine solche strenge Lesart des Kausalitätserfordernisses des § 3 Nr. 11 c EStG dogmatisch nicht überzeugen. Warum? Die Zielerreichung – Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise – ist wie aufgezeigt davon abhängig, dass der Arbeitgeber hierfür eigene, zusätzliche Mittel bereitstellt. Er muss die im öffentlichen Interesse liegende Sonderzahlung, auf die gerade kein gesetzlicher Anspruch besteht, finanzieren. Wenn der Arbeitgeber aber wirtschaftlich gesehen die Finanzierungsverantwortung trägt, ist ihm hieraus erwachsend auch ein entgeltrechtlicher Gestaltungs- und damit Steuerungsspielraum zuzubilligen, der steuerunschädlich ist, soweit die konkrete Ausgestaltung dem steuergesetzlichen Sozialzweck nicht zuwiderläuft. Ausgehend hiervon sollten daher folgende typische Gestaltungen zum Empfängerkreis und zur Prämienhöhe seitens der Finanzbehörden bzw. Finanzgerichte als steuerunschädlich iSd § 3 Nr. 11 c EStG und zugleich seitens der Arbeitsgerichte als arbeitsrechtlich zulässig anerkannt werden:
- Stichtags- und Rückzahlungsregelungen zur Sicherung der Betriebstreu
Sowohl vergangene als auch zukünftige Betriebstreue kann mit der Prämie honoriert werden. Dies kann mit Stichtagsregelungen, Vorbeschäftigungszeiträumen und Rückzahlungsklauseln abgesichert werden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht verletzt, da es sich um einen gerechtfertigten Sachgrund handelt.
- Differenzierung nach konkreter Betroffenheit
Damit ist eine Gruppenbildung von Mitarbeitern möglich, die eine Berechtigung für den Bezug an bestimmten Kriterien festmacht, z.B. Einkommenshöhe, Unterhaltspflichten. Auch ein Staffelung ist möglich.
- Differenzierung nach Arbeitsvolumen bzw. nach Arbeitsverhältnissen mit bzw. ohne Entgeltbezug
Dieser Punkt ist weiter höchst umstritten. Bei der Schaffung nachvollziehbarer Kriterien unter Berücksichtigung von Pufferzeiten ist dies im Ergebnis möglich.
Fazit
Bei der Ausgestaltung einer Inflationsausgleichsprämie ist Vorsicht geboten, wenn es um Differenzierungen bei dem Empfängerkreis und der Höhe der auszukehrenden Prämie geht. Die Mitbestimmung der Betriebsräte muss nach der „Topftheorie“ beachtet werden. Nicht über die Höhe aber die Verteilung. Es ist eine Differenzierung möglich. Dies nur bei klaren Konzepten, die durch arbeitsrechtliche Experten erarbeitet worden sind. Unser Team Arbeitsrecht der Kanzlei Wulf & Collegen hilft hier gern.
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