Die Mutter eines Studenten darf sich nicht gegen den Willen anderer Mitglieder einer Studenten-Wohngemeinschaft dauerhaft in den Räumen der WG aufhalten. Deshalb dürfen nach einer am 24.02.2016 bekannt gewordenen Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm Polizeibeamte das Hausrecht der Mitbewohner zwangsweise durchsetzen, wenn die Mutter auch nach vorheriger, polizeilicher Aufforderung die Räume der WG nicht freiwillig verlässt (Urteil vom 22.01.2016, Az.: 11 U 67/15).
Mutter sollte Haustiere des Sohnes versorgen
Der seinerzeit 26 Jahre alte Sohn der 1948 geborenen Klägerin aus Hagen wohnte 2012 in einer Studenten-WG in Dortmund. Während seines Urlaubs im August 2012 bat er die Klägerin auf die Wohnung aufzupassen und seine Haustiere, zwei kleine Katzen und ein Meerschweinchen, zu versorgen. Dies tat die Klägerin, indem sie sich während der Abwesenheit ihres Sohnes in der Wohnung aufhielt. Ein anderer Mitbewohner der WG, seinerzeit 29 Jahre alt, widersprach dem dauernden Aufenthalt der Klägerin in der Wohnung und forderte sie auf, diese zu verlassen. Da die Klägerin der Aufforderung nicht nachkam, verständigte der Mitbewohner die Polizei.
Klägerin geht erst nach Tumult
Nachdem zwei Polizeibeamten vor Ort geklärt hatten, dass der Mitbewohner, nicht aber die Klägerin, in der Wohnung amtlich gemeldet war, forderten auch sie die Klägerin zum Verlassen der Wohnung auf. Dem kam die Klägerin nicht nach, sondern versuchte ihrem zwischenzeitlich herbeigerufenen Ehemann, der ebenso wie sie kein Mitglied der WG war, Zutritt zur Wohnung zu verschaffen. Dies verhinderten die Polizeibeamten, indem sie die Klägerin an den Armen festhielten und – so die Klägerin – gegen die Wohnungstür drückten. Erst nach diesem Tumult verließ die Klägerin freiwillig die Wohnung.
OLG verneint Schadensersatzanspruch
Die Klägerin hat den Polizeieinsatz für rechtswidrig gehalten und vom Land Nordrhein-Westfalen aufgrund einer vermeintlichen Amtspflichtverletzung ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.200 Euro verlangt. Nach ihrem Vortrag hat sie bei dem Polizeieinsatz schmerzhafte Prellungen und Hämatome am Oberkörper und ihren Armen erlitten. Das Schadensersatzverlangen der Klägerin ist erfolglos geblieben. Der Klägerin stehe, so der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm, aufgrund des Polizeieinsatzes kein Schadensersatzanspruch gegen das beklagte Land zu. Er bestätigte damit eine Entscheidung des Landgerichts. Dabei könne zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden, dass sie die von ihr vorgetragenen Verletzungen durch den Polizeieinsatz erlitten habe. Die Verletzungen seien jedoch nicht Folge eines amtspflichtwidrigen Handelns der Polizeibeamten. Diese hätten vielmehr rechtmäßig gehandelt. Sie seien berechtigt gewesen, gegen die Klägerin einen Platzverweis auszusprechen und diesen sodann mit unmittelbarem Zwang durchzusetzen.
Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung bejaht
Von der Klägerin sei eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgegangen. Ihr dauerhafter Aufenthalt in der Wohnung habe das Hausrecht des Mitbewohners verletzt. Dieser sei berechtigt gewesen, die Klägerin aus der Wohnung zu verweisen. Der Sohn der Klägerin habe ihr zwar die Schlüssel überlassen und das Betreten der Wohnung gestatten dürfen, damit die Klägerin die Haustiere habe versorgen können. Er habe ihr aber keinen dauerhaften, sich über mehrere Tage hinziehenden Aufenthalt in den auch gemeinschaftlich zu nutzenden Räumen der Wohnung erlauben können.
Studenten-WG auf das Zusammenleben regelmäßig jüngerer Erwachsener ausgerichtet
Das Gericht verwies darauf, dass eine studentische Wohngemeinschaft auf das Zusammenleben regelmäßig jüngerer Erwachsener in einer vergleichbaren Lebenssituation ausgerichtet sei. Neben Räumen, die ein einzelner allein nutze, verfüge sie über von allen Mitbewohnern gemeinsam zu nutzende Räume. Der dauerhafte Aufenthalt von Angehörigen einer anderen Generation in diesen Räumen sei ihr fremd. In einer Wohngemeinschaft suchten zudem ihre Mitglieder neue Mitbewohner aus. Das lasse es nicht zu, einen Mitbewohner durch seine Mutter, und sei es auch nur über einige Tage, auszutauschen.
Tatbestand des Hausfriedensbruchs erfüllt
Auch hätten die hinzu gerufenen Polizeibeamten das durch die Klägerin dauerhaft verletzte Hausrecht des Mitbewohners durchsetzen dürfen, heißt es im Urteil weiter. Der Mitbewohner habe sein Hausrecht nicht selbst kurzfristig zivilrechtlich schützen können. Darüber hinaus habe das Verhalten der Klägerin den Tatbestand des Hausfriedensbruchs erfüllt, nachdem sie auch nach der Aufforderung des Mitbewohners zum Verlassen der Wohnung in derselben verblieben sei.
Unmittelbarer Zwang nicht unverhältnismäßig
Nachdem die Klägerin nicht bereit gewesen sei, der rechtmäßigen Anordnung der Polizeibeamten zum Verlassen der Wohnung Folge zu leisten, sondern sichtlich bestrebt gewesen sei, die Verletzung des Hausrechts durch das Einlassen ihres Ehemanns in die Wohnung zu intensivieren, hätten die Polizeibeamten ihr gegenüber unmittelbaren Zwang zur Durchsetzung des zuvor ausgesprochenen Platzverweises anwenden dürfen. Dieser sei auch nicht mit unverhältnismäßigen Mitteln ausgeübt worden, so das OLG. Die Klägerin sei auch nicht durch gezieltes Einwirken der Beamten, sondern in dem Tumult verletzt worden, den sie infolge des Versuchs, die Wohnungstür für ihren Ehemann zu öffnen, selbst verursacht habe.
Wulf & Collegen
Rechtsanwälte und Fachanwälte
Jan Steinmetz
Fachanwalt für Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht
in Stendal und Magdeburg